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Rothschild

Der Name des weitverzweigten und sehr einflussreichen Familien-Imperiums Rothschild ist untrennbar mit der europäischen Banken- und Wirtschafts-Geschichte der letzten 200 Jahre verbunden. Im Weinbau sind Mitglieder der Familie Rothschild ebenfalls durch den Besitz von zwei der berühmtesten Châteaux in der französischen Gemeinde Pauillac im Médoc ein Begriff. Das sind die zwei als Premier Grand Cru Classé klassifizierten Weingüter Château Lafite-Rothschild (französischer Zweig) und (erst nachträglich) Château Mouton-Rothschild (englischer Zweig). Sowohl durch die zum Teil sehr enge Verwandtschaft, als auch durch die Nähe der zwei unmittelbar nebeneinander liegenden Weingüter gibt es seit über 200 Jahren enge Verflechtungen und eine gemeinsame Geschichte.

Es bestand immer schon eine offene Rivalität zwischen den beiden und das schon lange vor der Übernahme durch die Rothschild-Familien (Mouton 1853 und Lafite 1868). Ein erster Konfliktgrund war der Kampf um das Grundstück „Les Carruades“, das sich genau an der Grenze zwischen den Weingütern befindet. Um den Besitz entbrannte im Jahre 1845 ein heftiger Streit zwischen den beiden Weinguts-Verwaltern, der dann zugunsten Château Lafite entschieden wurde.

BORDEAUX-KLASSIFIZIERUNG 1855

Der zweite große Konfliktgrund war zehn Jahre später die berühmte im Jahre 1855 durchgeführte Bordeaux-Klassifizierung, bei der Lafite als Premier Grand Cru und Mouton nur als Deuxième Grand Cru klassifiziert wurde. Mouton wollte von Anfang an diese „Schmach“ nicht akzeptieren und Lafite kostete den Triumph aus.

Der dritte Grund ereignete sich 1953. Elie Robert de Rothschild (1917-2007) initiierte als Besitzer von Lafite den Ausschluss von Mouton aus dem „Verband der Fünf“ (die damaligen vier Premiers und Mouton) mit der Begründung, dass dieses ja kein Premier Cru sei. Das Bemühen um die Erhebung von Mouton in den ersten Rang wurde von Lafite ni.cht unterstützt, sondern sogar vehement bekämpft. Es ist ein Gag, dass während der deutschen Besetzung die zwei Weingüter von der Vichy-Regierung 1942 beschlagnahmt und gemeinsam geführt wurden.

Rothschild - Porträts Mayer Amschel, James, Nathaniel, Philipp de Rothschild

FRANZÖSISCHER ZWEIG (Château Lafite-Rothschild)

Im Auftrag seines Vaters Mayer Amschel Rothschild (1744-1812) ließ sich Jakob Mayer Rothschild (1792-1868) im Jahre 1812 in Paris nieder, wo er seinen Vornamen auf James änderte. Hier gründete er im Jahre 1817 die französische Bank-Niederlassung. Im Jahre 1822 wurde ihm und seinen vier Brüdern von Kaiser Franz I. (1768-1835) von Österreich der erbliche Titel „Baron“ zugesprochen. 1868 kaufte er das „Château Lafite“ und fügte den Familiennamen „Rothschild“ an.

Vermutlich hat er aber seinen Besitz nie gesehen, da er noch im selben Jahr starb. Seine drei Söhne Gustave, Edmond und Alphonse überließen die Leitung einem Geschäftsführer und auch deren Kinder ließen sich jährlich nur die Bilanz zeigen. Edmond de Rothschild (1845-1934) belebte zwar 1882 durch eine Stiftung von 60 Millionen Goldfrancs den Weinbau in Palästina (dem heutigen Israel), kümmerte sich aber ebenfalls kaum um den Besitz in Frankreich.

Elie Robert de Rothschild

Sein Urenkel Elie Robert de Rothschild (1917-2007) war im Zweiten Weltkrieg als alliierter Soldat aktiv und war nach seiner Rückkehr führend in der Familienbank tätig. Daneben baute er die ehemalige Eisenbahngesellschaft Paris-Lyon-Marseille in einen Reisekonzern mit Hotels und Restaurants um. Er übernahm im Jahre 1946 die Leitung des Château Lafite-Rothschild und war der erste in der Familie, der sich persönlich aktiv ins Weingeschäft einschaltete. Er betrachtete Château Mouton-Rothschild immer als feindliche Konkurrenz und nannte es abschätzig „dieser Deuxième Cru“ als Anspielung darauf, dass die Klassifikation als Premier Grand Cru ja erst 1973 erfolgte.

Eric de Rothschild

1974 übernahm in fünfter Generation sein Neffe Eric de Rothschild (*1940) die Führung. Dieser absolvierte an der Hochschule in Zürich (ETH) ein Ingenieurstudium und leitete die Familienbank in Paris. Für seine neue Tätigkeit machte er einige Önologie-Kurse. Seine aus Italien stammende Frau Béatrice Caracciolo war eine international gefragte Fotografin und Malerin. Der Familienfortbestand ist mit den Kindern James (*1986), Saskia (*1987) und Pietro (*1988) gesichert. Eric de Rothschild startete eine umfangreiche Expansion mit dem Kauf von Weingütern im Inland und Ausland. Zumeist handelte es sich um früher renommierte, aber vernachlässigte Betriebe. Mit seinem Geschäftsführer Christophe Salin wurde alles konsequent nach gleichem Muster abgewickelt. Die Weinberge wurden neu bepflanzt, die Infrastruktur renoviert, die Teams durch erstklassige Profis ausgetauscht und strenge Qualitätskontrollen eingeführt.

Domaines Barons de Rothschild

Heute werden im Imperium „Domaines Barons de Rothschild“ Weingüter mit insgesamt über 2.000 Hektar verwaltet. Innerhalb der großen Familie gibt es komplizierte Besitzanteils-Verhältnisse mit einer Reihe von Eigentums-Anteilen mehrerer Mitglieder. Zum Eigentum in Frankreich zählen unter anderem die Weingüter Château d’Aussières (Corbières), Château Duhart-Milon-Rothschild (Pauillac), Château L’Évangile (Pomerol), Château Paradis Casseuil (Entre-deux-Mers) und Château Rieussec (Sauternes). Die ausländischen Joint Ventures mit Besitzanteilen sind Bodegas Caro (Argentinien), Los Vascos (Chile), Quinta do Carmo (Portugal) und seit dem Jahre 2002 Rocca di Frassinello (Maremma-Toskana).

FRANZÖSISCHER NEBENZWEIG (Château Clarke)

Ein weiterer Familienzweig mit Weingutsbesitz zählt ebenfalls zur französischen Hauptlinie. Dies ist Baron Edmond Adolphe de Rothschild (1926-1997), der Enkel des Israel-Förderers Edmond de Rothschild (1845-1934) und Neffe von Elie Robert de Rothschild. Er baute ein Wirtschafts- und Bankenimperium auf und gründete Finanzinstitute in der Schweiz und in Frankreich. Neben dem Ausbau von Megeve zu einem Wintersportort in den französischen Alpen finanzierte er große Tourismus-Projekte auf Martinique und Guadeloupe, war an der Gründung des „Club Méditerranée“ beteiligt und hielt große Beteiligungen an Shell (Öl) und De Beers (Diamanten). Wie sein Großvater war er ein Förderer Israels.

Edmond besaß einen Anteil an Château Lafite-Rothschild, stieg aber 1973 durch Kauf von Château Clarke, Château Malmaison und Château Peyre-Lebade selbst groß in das Weingeschäft ein. Mit riesigen Investitionen ließ er den Großteil der Rebflächen roden und mit Beratung durch den Önologen Émile Peynaud (1912-2004) neu bestocken und die Kellereianlagen erneuern. Sein Sohn Baron Benjamin de Rothschild (1963-2021) erbte den Großteil des Vermögens und baute die Banken weiter aus. Sein Vermögen wird auf 2 bis 3 Milliarden Schweizer Franken geschätzt. In Paarl in Südafrika wurde 1997 das Joint Venture „Rupert & Rothschild“ zwischen Antonij Rupert (Sohn eines Wirtschafts-Magnaten) und dem Baron gestartet. Die Weine heißen nach den Eltern „Baron Edmond“ und „Baroness Nadine“.

ENGLISCHER ZWEIG (Château Mouton-Rothschild)

Schon neun Jahre vor seinem Bruder Jakob (James) hatte Nathan Mayer de Rothschild (1777-1836) im Auftrag seines Vaters 1808 in London die heute noch bestehende englische Bank-Niederlassung der Rothschilds gegründet. Sein Sohn Nathaniel de Rothschild (1812-1870) wurde als viertes Kind geboren. Dieser heiratete im Jahre 1842 seine Cousine Charlotte de Rothschild (1825-1899) und zog 1850 nach Paris, wo er für die Bank seines Onkels und Schwiegervaters James de Rothschild (1792-1868) arbeitete (dies war der oben angeführte erste Besitzer von Château Lafite-Rothschild). Im Jahre 1853 erwarb er das „Château Brane-Mouton“ und benannte es in Château Mouton-Rothschild um. Nathaniel de Rothschild wurde im Jahre 1855 durch einen tragischen Jagdunfall zum Krüppel und erblindete später völlig.

Nathan de Rothschild

Sein Sohn Baron Nathan de Rothschild (1844-1884) wurde französischer Staatsbürger und war als Rechtsanwalt tätig. Dieser begann das Château von Château Mouton-Rothschild zu bauen, wurde aber erst von seiner Witwe Thérèse vollendet. Die Baronne Thérèse Rothschild besuchte aber ihr Weingut nur sporadisch und überließ die Leitung zumeist ihren engsten Mitarbeitern. Nach ihrem Tode erbte im Jahre 1920 ihr Sohn Baron Henri de Rothschild (1872-1946) das Gut. Der praktiziende Arzt und auch als Schriftsteller erfolgreich Tätige interessierte sich aber nicht sonderlich für den Weingutsbesitz. Er übergab diesen 1922 an seinen damals zwanzigjährigen Sohn Baron Philippe de Rothschild.

Philippe de Rothschild

Baron Philippe de Rothschild (1902-1988) ist der bekannteste der Dynastie. Er begann den damals den fast aussichtslosen Kampf um die Einstufung als „Premier Grand Cru Classé“, was ihm erst 1973 gelang. Als promovierter Doktor der Mathematik und Physik war ein vielseitiger Mensch ohne Verbindung zur Familienbank. Er fuhr Autorennen und gewann den Grand-Prix von Bourgogne, gründete das Theater Pigalle in Paris, schrieb Theaterstücke, betätigte sich als Filmproduzent und übersetzte englische Gedichte ins Französische. Er begründete auch die langjährige Tradition der Künstleretiketten. Seit dem Jahrgang 1945 tragen die Rotweine kleine Kunstwerke zeitgenössischer Künstler.

Seine erste Frau Lilli Pelletier de Chambre (1902-1945) war das einzige Familienmitglied, das in einem Konzentrations-Lager starb. Die Tochter Philippine überlebte wie durch ein Wunder als kleines Kind das KZ Ravensbrück. 1954 heiratete der Baron in zweiter Ehe die amerikanische Mode-Designerin Pauline Fairfax-Potter, diese Ehe blieb kinderlos. Er baute das Château Mouton-Rothschild zu einer Touristen-Attraktion ersten Ranges auf und errichtete mit seiner Frau ein Weinmuseum. Und er führte nicht nur wegen der erreichten Rangerhöhung seines Weingutes das Château Mouton-Rothschild zu Weltruhm. Gemeinsam mit Robert Mondavi (1913-2008) entstand 1979 das kalifornische Weingut bzw. die Weinmarke Opus One. Baron Philippe de Rothschild feierte mit dem als Jahrhundertwein eingestuften Jahrgang 1982 seine 60. Weinernte. Seine letzte und 65. Ernte erlebte er mit dem Jahrgang 1987, wenig später ist er 1988 gestorben.

Philippine de Rothschild & Nachkommen

Seine Tochter Baronesse Philippine de Rothschild (1933-2014) übernahm die Nachfolge. Ihrer ersten Ehe mit dem Schauspieler Jacques Sereys entstammen die zwei Kinder Camille und Philippe. Das dritte Kind Julien entstammt der Ehe mit dem Schriftsteller Jean-Pierre de Beaumarchais (*1944). Bevor sie in den 1970er-Jahren in das Weingeschäft einstieg, war sie unter dem Künstlernamen Philippine Pascale eine bekannte Theater- und Film-Schauspielerin.

Sie gedachte Ihres Vaters auf dem vom Schweizer Künstler Hans Erni gestalteten Etikett Jahrgang 1987 mit der Widmung: „A mon père, le Baron Philippe de Rothschild, rénovateur de Mouton, je dédie ce millésime de sa 65ème et dernière vendange - Mouton ne change“ (Meinem Vater, Herrn Baron Philippe von Rothschild, Erneuerer des Mouton, widme ich diesen Jahrgang seiner 65. und letzten Weinernte - Mouton ändert sich nicht). Ihre Nachfolge als Vorsitzender des Aufsichtsrates hat Philippe Sereys de Rothschild (*1963) übernommen. Die Geschwister Camille Sereys de Rothschild (*1961) und Julien de Beaumarchais de Rothschild (*1971) sind Miteigentümer und im Aufsichtsrat vertreten.

Baron Philippe de Rothschild S.A

Seit 1990 firmiert die Firma unter „Baron Philippe de Rothschild S.A“. Zum Besitz zählen Château Clerc Milon, Château d’Armailhac und Château La Fleur-Milon (alle Pauillac, Haut-Médoc), sowie die 2002 gekaufte Domaine de Baron’Arques (Languedoc). Im Ausland gibt es die Joint Ventures Opus One (Napa Valley, Kalifornien) und Concha y Toro in Chile mit dem Rotwein Almaviva. In der Firma „La Baronnie“ werden mehrere Markenweine produziert, darunter der erfolgreiche und weltweit exportierte Mouton Cadet. Weltweit gibt es kaum eine Weinfirma mit so umfangreichem Merchandising. Neben den Weinen kann man auch T-Shirts, Poster, Krawatten, Kalender, Gläser bis Korkenzieher kaufen.

ROTHSCHILD-MUSEUM

Im Jahre 1994 wurde vom englischen Finanzier Baron Nathaniel Charles Jacob Rothschild (*1936) in seinem 1988 geerbten Prachtschloss Waddesdon Manor in der Nähe von London ein Weinmuseum und ein Verkaufskeller für alle Rothschild-Weine eröffnet. Er ist somit der Erste in der Familie, der eine „verbindende“ Funktion innerhalb der Rothschild-Familienzweige wahrnimmt. Das Schloss birgt auch eine der umfangreichsten Kunstsammlungen der Welt. Es wurde bis zum Jahre 1998 aufwändig restauriert und inzwischen in einer freiwilligen Stiftung dem Staat übertragen.

VERHÄLTNIS DER FAMILIENZWEIGE

Heute hat sich das Verhältnis von Lafite und Mouton normalisiert. Nach wie vor besteht zwar eine Konkurrenz, die sich aber weit weniger aggressiv als früher darstellt. Die beiden Firmen verfolgen auch eine etwas unterschiedliche Philosophie. Die „Baron de Philippe de Rothschild S.A.“ (Mouton) steht für ein sehr persönlich geführtes Familien-Unternehmen. Die „Domaines Barons de Rothschild S.A.“ (Lafite) agiert eher diskret und ist öffentlich wenig präsent. Auch die Rotweine der zwei Hauptweingüter sind wie der Boden geschmacklich unterschiedlich. Man mag entweder mehr den einen oder den anderen, der Geschmack polarisiert sozusagen. Lafite wird zumeist als eleganter und spröder Wein bezeichnet. Mouton hingegen gilt als opulenter bis exzentrischer Wein mit ausgeprägter Fruchtigkeit.

Mayer Amschel Rothschild: Von Elbert Hubbard, Gemeinfrei, Link 
James de Rothschild: Von Elbert Hubbard, Gemeinfrei, Link 
Nathaniel de Rothschild: Von Maull & Polyblank, Gemeinfrei, Link
Philippe de Rothschild: Von Ron Zimmerman - Rothschild, CC BY-SA 3.0, Link

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Andreas Essl

Das Glossar ist eine monumentale Leistung und einer der wichtigsten Beiträge zur Vermittlung von Weinwissen. Unter all den Lexika, die ich zum Thema Wein verwende, ist es mit Abstand das wichtigste. Das war vor zehn Jahren so und hat sich seither nicht verändert.

Andreas Essl
Autor, Modena

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