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Reblaus

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druifluis (N)

Dieser gefährlichste aller Rebschädlinge (Daktulosphaira vitifoliae, Viteus vitifoliae) ist ein Insekt der Ordnung Pflanzenläuse (Homoptera), Unterordnung Blattläuse (Aphidina) und Familie der Zwergläuse (Phylloxeridae). Die Reblaus befällt ausschließlich die Weinrebe, saugt an den Blättern und/oder den Wurzeln und gibt dabei ihren Speichel in die Saftbahnen ab, was Gallen (Wucherungen) hervorruft, die dann als Eiablage und Nahrung dienen. Aufgrund verschiedener Verhaltensmuster gegenüber dem Rebstock werden verschiedene Arten vermutet. Der deutsche Biologe Dr. Carl Börner (1880-1953) unterschied zwischen einer weniger gefährlichen langrüssligen und einer schädlicheren kurzrüssligen Reblaus. Ab dem Erstbefall dauert es durch Folgewirkungen wie Nährstoffmangel und Wurzelfäule in der Regel maximal drei Jahre, bis der Rebstock abstirbt und vollständig vernichtet ist. Der französische Wissenschaftler Jules Émile Planchon (1823-1888) gab der Reblaus bei deren Identifizierung in Frankreich 1868 den treffenden Namen „Phylloxera vastatrix“ (verwüstende Laus).

Lebenszyklus

Der Lebenszyklus ist stark von der befallenen Rebenspezies, nämlich Europäerrebe oder Amerikanerrebe abhängig. Er erfolgt entweder in Form eines kompletten Zyklus bzw. unentwegten Kreislaufes zwischen Rebstock (oberirdisch) und Wurzel (unterirdisch) oder aber nur auf Blättern (nur oberirdisch) oder nur Wurzeln (nur unterirdisch) und damit verkürztem Zyklus. Es gibt parthenogenetische (Jungfernzeugung aus unbefruchteten Eizellen) und sexuelle Generationen. Nach dem Befallungsort wird in die gelbgrüne 1,5 mm lange Blattreblaus (Gallicola = Blattgallenlaus) und die gelbbraune 1,35 mm lange Wurzelreblaus (Radicicola = Wurzellaus) unterschieden. Zweitere ist wesentlich gefährlicher, da sie das Leitgewebe schädigt, was zu Wasser- und Nährstoffmangel führt. Der Befall der Blätter ist dagegen meist nicht lebensbedrohend. Bei den Rebenspezies gibt es welche, die sowohl Blatt- als auch Wurzelgallen, die Wurzelgallen jedoch keine Blattgallen, sowie die Blattgallen aber keine Wurzelgallen bilden. Die Gruppe der vollkommen resistenten Rebenspezies bildet weder Blatt- noch Wurzelgallen.

Blattreblaus - Blattgallen und Mutterlaus mit Eigelege

In Europa läuft meist nur die Vermehrung durch die Wurzelläuse ab, während der volle Zyklus sich nur in Amerika vollzieht. Nur im oberirdischen Kreislauf entstehen Nachkommen mit neuem Erbgut, da es ausschließlich hier Männchen und Weibchen gibt. Bei den Wurzelläusen gibt es nur Weibchen, die sich parthenogenetisch fortpflanzen und 600 Eier legen. Jung geschlüpfte befallen nicht sofort die Wurzeln, sondern überwintern tief im Boden. Im Frühjahr werden die Wurzeln mit dem Rüssel (in halber Körperlänge) angestochen und der Speichel in das Gewebe eingebracht. Als nahezu panische Abwehrreaktion des Rebstocks bilden sich knotig verdickte Wucherungen. Von diesen weichen Gebilden ernähren sich dann die Läuse, sie saugen sie auf. Der Schädling kann also nur durch die Gallenbildung leben, denn die harten Wurzeln selbst könnten nicht direkt angenagt werden.

Reblaus - Wurzelrebläuse mit Eianlage

In Mitteleuropa gibt es in der Regel vier bis sechs Reblaus-Generationen pro Jahr. Die Jungläuse der letzten Generation (Hiemalen) bilden die Überwinterungsform. Gegen Ende des Hochsommers entwickeln sich Nymphen, das sind Larven mit Flügelansätzen. Diese verlassen den Boden und entwickeln sich nach ihrer letzten Häutung zu geflügelten Rebläusen (Sexuparae). Durch die Flugfähigkeit können sie sich auch über größere Entfernungen relativ schnell in andere Rebanlagen ausbreiten und sich dort vermehren. Die geflügelten Schädlinge legen kleine männliche und große weibliche Eier an der mehrjährigen Rinde des Rebstocks ab, woraus die rüssellosen Geschlechtstiere (Sexuales) schlüpfen. Diese können keine Nahrung aufnehmen und haben während ihres nur rund achttägigen Lebens ausschließlich die Aufgabe der Kopulation.

Rebläuse in verschiedenen Stadien und weibliche Reblausfliege

Die begatteten Weibchen legen ein einziges befruchtetes olivgrünes Winterei in eine Rindenritze. Daraus schlüpfen im Frühling die Maigallenläuse, die nur bei amerikanischen Rebenspezies (Vitis vinifera ist an den Blättern resistent) Blattgallen ausbilden und bis zu 1.200 Eier legen. Daraus schlüpfen nach acht bis zehn Tagen zwei Larvenarten. Die einen bilden vor allem an jüngeren Blättern erneut Blattgallen. Sie vermehren sich parthenogenetisch mit sechs bis acht Generationen pro Jahr. Die anderen sind blattgeborene Wurzelläuse und suchen die Rebwurzeln im Boden auf. Dort ergänzen sie den unterirdischen Entwicklungszyklus oder beginnen ihn von neuem. Eine überwinterte Reblaus mit 1.000 Eiern ergibt bis zum Herbst rund 25 Billionen Nachkommen. Den komplexe Kreislauf bzw. Lebenszyklus von Blattreblaus und Wurzelreblaus zeigt die Graphik:

Reblaus - oberirdischer Zyklus

Reblaus - unterirdischer Zyklus

Nodositäten und Tuberositäten

Es wird zwischen zwei Wurzelarten und damit recht unterschiedlichen Auswirkungen beim Befall durch die Reblaus unterschieden. Bei geringerem Befall werden zuerst die jungen, noch unverholzten und weichen Wurzelspitzen angestochen. Die dadurch gebildten Wurzelgallen nennt man Nodositäten. Sie treten nicht nur bei der europäischen Vitis vinifera, sondern auch bei den meisten amerikanischen Rebenspezies auf, sind aber relativ ungefährlich und führen nicht zur Vernichtung des Rebstocks. Bei größerem Befall werden aber auch die älteren, verholzten Wurzeln angestochen und als Folge die Tuberositäten (siehe unteres Bild) gebildet. Diese sind viel gefährlicher, weil sie viel tiefer in das Gefäßsystem der Wurzeln eindringen können. Bestimmte amerikanische Rebenspezies sind gegen beide immun, die widerstandsfähigste ist Vitis cinerea.

Reblaus - Europäerrebe nach Anstich, Rebläuse, Amerikanerrebe

Resistenz bestimmter Rebsorten-Spezies

Die Wurzelstöcke einiger Amerikaner-Reben sind gegen die Reblaus widerstandsfähig, weil sie sich im Laufe von Jahrmillionen angepasst haben. Die Resistenz ergibt sich durch drei Umstände. Die Rebstöcke reagieren bei Befall an den Wurzeln passiv, bilden wenig bis überhaupt keine Gallen und entziehen damit den Schädlingen die Basis für eine Vermehrung. Zweitens sind die Markstrahlen in den Wurzeln weit enger angeordnet als bei den europäischen Reben, sodass die Verknotungen nur oberflächlich eindringen können. Und drittens bildet sich an der Anstichstelle ein schützendes Korkgewebe. Dieses verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit, Bakterien und Pilzen, die bei den nichtresistenten Rebstöcken zur Wurzelfäule und damit kompletten Vernichtung führt. Sehr wohl können aber auch die Amerikaner-Reben oberirdisch befallen werden, was aber bei weitem nicht so verheerend ist und nur bei starkem Befall größere Schäden verursacht. Nur unter besonders günstigen klimatischen Gegebenheiten werden Europäer-Reben von der Blattgallenlaus befallen, deshalb hat sie in Mitteleuropa kaum eine Bedeutung. Anfällig für die Blattgallenlaus sind jedoch die meisten Amerikaner-Reben sowie auch Hybriden.

Ursprung und Entdeckung der Reblaus

Die Reblaus stammt aus Nordamerika, wo sie in weiten Bereichen an der Ostküste vorkommt. Hier wurde sie 1854 vom Entomologen Asa Fitch (1809-1879) entdeckt und ein Jahr später als „unbedeutendes Insekt“ mit der Bezeichnung „Pemphigus vitifolius“ erstmals beschrieben. Diese harmlos anmutende Beschreibung war korrekt, denn eigentlich ist die Reblaus ein Gelegenheitsschädling. Erst durch größere Rebflächen ist eine weite Verbreitung bis hin zu einer Epidemie möglich. Diese Situation war aber an der Ostküste Nordamerikas keinesfalls gegeben. Hier konnte das Insekt keine großen Schäden verursachen, da die Anzahl von Wildreben an einem Ort immer begrenzt war, die Bodenverhältnisse eine Vermehrung nicht begünstigen und außerdem viele der amerikanischen Reben mehr oder weniger an den Wurzeln resistent sind. Im Gegensatz zu anderen Naturereignissen, die auch ohne menschliches Zutun erfolgen, war die Verbreitung der Reblaus erst durch massive Eingriffe des Menschen in das Ökosystem mit großflächigen Monokulturen möglich. Aber auch das hätte nicht für eine weltweite Verbreitung ausgereicht, sondern wurde erst durch den Handel mit verseuchten Reben bewirkt.

Auftreten in Europa

Kurz vor der Reblaus kam um 1845 über England der Echte Mehltau nach Europa - das erste der vier schrecklichen Danaergeschenke aus Nordamerika. Rund fünf bis zehn Jahre später folgte die Reblaus, ein genaues Datum ist natürlich nicht mehr festzustellen, weil die Schäden erst einige Jahre später sichtbar wurden. Ab dem Jahre 1850 wurden amerikanische Rebstöcke in großer Anzahl nach England und Frankreich als Zierreben und zu Kreuzungszwecken und mit diesen unbemerkt auch die Reblaus nach Europa eingeführt. Dies war aber auch schon früher erfolgt und die Reblaus gab es in Amerika seit undenklichen Zeiten. Warum war sie also nicht schon viel früher in Europa aufgetaucht? Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. In den Segelschiffzeiten hatte der Schädling die rund zehn Wochen und länger dauernde Reise nicht überlebt, während er mit den schnellen Dampfschiffen in der kurzen Zeit von 10 bis 14 Tagen unversehrt das Meer überquerte.

Um das Jahr 1858 (nach anderen Quellen erst 1863) wurde bei Arles in der Provence ein unerklärliches Rebensterben festgestellt und zunächst eine Pilzkrankheit oder Frostschäden vermutet. Zu guter letzt musste sogar Gottes Zorn und Strafe wegen der Sünden der Zeit als Ursache herhalten. Als man die abgestorbenen Rebstöcke ausgrub, stellte man fest, dass das gesamte Wurzelwerk praktisch verschwunden war. Durch die Winzigkeit des Insekts blieb es zunächst als Ursache unerkannt. Im Jahre 1868 wurde eine Kommission mit dem Weinbergbesitzer Gaston Bazille (1819-1894), dem Gartenbauer Félix Sahut und dem Physiker und Botaniker Jules Émile Planchon (1823-1888) eingesetzt, der es innerhalb kurzer Zeit gelang, die Ursache des geheimnisvollen Rebensterbens zu identifizieren. Jedoch die Herkunft des Schädlings aus Nordamerika blieb noch lange unklar.

Die Reblaus breitete sich inzwischen zwar langsam, aber stetig in fast allen Ländern Europas nahezu ausschließlich über damit verseuchtes Rebmaterial aus. Nach Österreich-Ungarn gelangte sie im Jahre 1867 (nach anderer Quelle 1872), als der Direktor des Klosterneuburger Weinbauinstituts August-Wilhelm Freiherr von Babo (1827-1894) aus Deutschland amerikanische Rebstöcke geschenkt bekam. In Deutschland wurde sie im Jahre 1874 erstmals in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg entdeckt. Aber erst 1902 gelangte der Schädling nach Würzburg, 1907 an die Mosel und schließlich 1913 nach Baden. Die weiteren Stationen waren Portugal 1871, Türkei 1871, Schweiz 1874, Italien 1875 (Südtirol erst 1901), Spanien 1878 und Griechenland 1898. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden rund 75% aller Rebflächen Europas vernichtet.

Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, denn Weinbau hatte in Europa große wirtschaftliche Bedeutung, in Italien zum Beispiel lebten 80 Prozent der Bevölkerung davon. Die materiellen Schäden waren gleich denen des Ersten Weltkrieges. Aber auch die Neue Welt war schwer betroffen, denn durch aus Frankreich importierte und mit der Reblaus infizierte Rebstöcke gelangten 1873 nach Kalifornien und dort dadurch wenige Jahre später der gerade aufblühende Weinbau lahmgelegt. Schließlich wurde der Schädling 1877 auch nach Australien, sowie 1885 nach Algerien, Neuseeland und Südafrika eingeschleppt und war nun auf allen Kontinenten vertreten. Die gemeinsame Gefahr zwang die Länder zur Zusammenarbeit, die 1877 mit einer „Internationalen Reblauskonferenz“ begonnen wurde. Zwischen dem Deutschen Reich, Frankreich, der Schweiz, Österreich-Ungarn und Portugal wurde 1881 eine Reblauskonvention mit Regeln für die Ein- und Ausfuhr von Reben sowie Grenzkontrollen beschlossen. Zu dieser Zeit war der Lebenszyklus der Reblaus bereits erforscht und gut bekannt:

Reblaus - Entwicklungszyklus - Humboldt-Universität Berlin um 1880

Maßnahmen gegen den Schädling

Die französische Regierung bildete schon im Jahre 1870 eine Kommission, zu deren bekanntesten Vorsitzenden ab dem Jahre 1885 Louis Pasteur (1822-1895) und nach ihm Jules Lavalle (1820-1880) wurden. Man setzte einen Preis von 20.000 Francs aus und erhöhte später sogar auf unglaubliche 300.000. Im Verlaufe von sieben Jahren wurden insgesamt 700 Vorschläge eingereicht, davon wurde ungefähr die Hälfte auch tatsächlich ausprobiert. Der Preis musste jedoch nie ausbezahlt werden. Es erfolgten Behandlungen mit Seidenraupenkot, Gülle bzw. Jauche und Krebsextrakt, das Abkratzen der Rinde oder das Anpflanzen von verschiedenen Abwehrgewächsen wie Hanf oder Baldrian. Bescheidene Teilerfolge wurden durch Überfluten der Weingärten mit Wasser und dem sogenannten Kultural-Verfahren, das heißt Bodeninjektionen mit Schwefelkohlenstoff erzielt.

Das Problem war, dass auch anerkannte Wissenschaftler von falschen und zum Teil abenteuerlichen Annahmen ausgingen und diese leidenschaftlich vertraten. Der Entomologe Victor Antoine Signoret (1816-1889) meinte, dass die Reblaus nicht die Ursache, sondern die Wirkung sei. Und der Weinbauspezialist Dr. Jules Guyot (1807-1872) vermutete die Ursache in zu scharfem Rebschnitt. Auch so abstruse und völlig wirkungslose Methoden wie das vom römischen Autoren Plinius dem Älteren (23-79) entlehnte Vergraben einer toten Kröte unter jedem Rebstock, das Abklopfen des Weingartenbodens, um das Insekt ins Meer zu treiben bis hin zum Einleiten von Elektrizität in die Erde und Begießen der Rebstöcke mit Weißwein wurden erfolglos versucht.

Reblaus-Bekämpfer

Bereits im Jahre 1869 hatte Léopold Laliman (1817-1897) aus Bordeaux erkannt, dass einige amerikanische Rebstöcke immun gegen die Reblaus waren (dies wird aber auch anderen zugeschrieben). Auf einem Kongress in Beaune schlug dann der oben erwähnte Gaston Bazille die Methode vor, die Oberteile (Edelreiser) von Europäer-Reben auf die Unterteile (Wurzelstöcke) von reblausresistenten Amerikaner-Reben aufzupfropfen. Dies wurde von Gustave Foëx (1844-1906) unterstützt, der schon 1868 vermutet hatte, dass die Reblaus von außerhalb Europas gekommen war. Bestätigt wurde dies dann von Jules Émile Planchon (1823-1888) durch eine Studienreise in Amerika im Jahre 1873. Er traf dort mit dem Entomologen Charles V. Riley (1843-1895) zusammen, der nachwies, dass das französische Insekt identisch mit dem amerikanischen war. Riley sprach sich als einer der Ersten für das Pfropfen auf amerikanischen Wurzelstöcken aus. Aber dies wird auch dem Botaniker Georg Engelmann (1809-1884) zugesprochen. Wer also tatsächlich „der Erste“ war, ist natürlich nicht mehr festzustellen und alle angeführten kann man getrost als Retter des europäischen Weinbaus vor der Reblaus gelten lassen.

Reblaus - Porträts von Charles V. Riley, Pierre Viala, Émile Planchon, Georg Engelmann

Lösung des Problems

Von 1873 bis 1876 wurden Millionen von Unterlagen vor allem nach Frankreich und andere Länder verschifft, wobei die meisten aus Missouri stammten. Viele davon waren Kreationen des Züchters Hermann Jaeger (1844-1895). In der Praxis vertrugen aber viele der amerikanischen Wurzelstöcke den europäischen Boden nicht, besonders den in Amerika in Weingärten seltenen Kalkboden. Zuerst wurde die Vitis riparia als Unterlagsrebe verwendet, die aber ungeeignet für Kalkboden war. Deshalb wurde sie mit der Vitis berlandieri gekreuzt. Schließlich wurde im Jahre 1887 vom französischen Landwirtschaftsministerium eine von Dr. Pierre Viala (1859-1936) geleitete Delegation nach Amerika entsandt, um geeignete Unterlagsreben ausfindig zu machen. Die Entwicklung dauerte Jahrzehnte und lange standen sich zwei konkurrierende Lager gegenüber, das waren die „Sulphuristen“, die auf eine Bekämpfung mit Chemie schwörten, und die „Amerikanisten“, die eine Veredelung bevorzugten.

Am Ende dieses Richtungsstreits setzten sich schließlich die Veredler durch. Dafür wurden zahlreiche Unterlagen für die unterschiedlichen Anforderungen entwickelt. Als wichtiges Kriterium gilt eine hohe Resistenz gegen die Reblaus. Die als Veredelung bezeichnete Methode war und ist noch immer die einzige Lösung. Sie war aber sehr kostspielig, denn zu dieser Zeit gab es über zehn Milliarden Rebstöcke alleine in Frankreich. Deshalb versuchte man mit mäßigem Erfolg auch, das Problem durch Kreuzungen von Amerikaner- mit Europäer-Reben oder auch Amerikaner-Reben untereinander zu lösen und als Alternative für die Weingewinnung zu verwenden. Denn alle Hybriden waren nur ungenügend reblausresistent und außerdem besaßen Weine bestimmter Spezies den für europäischen Geschmack unangenehmen Foxton.

Länder/Gebiete ohne Reblaus

Gerade während der ersten Erfolge mittels veredelter Reben brach die dritte Katastrophe über den europäischen Weinbau herein. Denn paradoxerweise wurde mit den für die Rettung vor der zweiten Katastrophe eingeführten Unterlagen im Jahre 1878 der Falsche Mehltau aus Nordamerika eingeschleppt. Und als trauriger Abschluss des wahrhaft dunklen Jahrhunderts für den Weinbau wurde dann Anfang der 1880er-Jahre die Schwarzfäule aus Amerika importiert. Am längsten dauerte es bei der Reblaus, bis sich die wirksamen Maßnahmen in allen Ländern durchgesetzt hatten. Einige Länder sind zumindest zum Teil in bestimmten Gebieten verschont geblieben. Das sind zum Beispiel einige griechische Inseln in der Ägäis (Kreta, Paros, Rhodos, Santorin, Zypern), sowie Afghanistan, Argentinien, Armenien, Australien, Chile, China, Indien, Kanarische Inseln und Pakistan.

Vor allem Weingärten mit Sandboden werden nicht befallen, weil der Schädling dort nicht existieren kann. Ebenso kann das Insekt in großen Höhen nicht überleben. Einzelne Weinberge bzw. Rebflächen mit wurzelechten Rebstöcken gibt es in vielen Ländern, auch in Deutschland und Österreich. Aber es ist heute überall generell die Veredelung üblich, man schätzt, dass dies weltweit 85% aller Rebstöcke ausmacht. Die Reblaus ist aber noch immer nicht vollständig besiegt, denn in den 1990er-Jahren ist in Amerika eine neue Variante (Biotypus B) aufgetreten, die schon viele Weingärten in Kalifornien und Neuseeland vernichtet hat. Große Probleme verursachte Anfang der 1960er-Jahre in Kalifornien die Empfehlung der University of California (Davis) für die Unterlage AxR 1, die zu schwach reblausresistent war. Alle damit angelegten Weingärten mussten wieder gerodet werden.

weiterführende Informationen

Weitere umfangreiche Informationen im Zusammenhang mit der Reblaus sind neben den oben angeführten Verweisen (Hyperinks) vor allem bei den Stichwörtern Amerikaner-Reben, Europäer-Reben, Hybriden, Nodositäten, Prä-Phylloxera, Tuberositäten, Unterlage & Unterlagsrebe und Veredelung enthalten.

Bildquellen

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Thorsten Rahn

Das Weinlexikon hilft mir, auf dem Laufenden zu bleiben und mein Wissen aufzufrischen. Vielen Dank für dieses Lexikon das an Aktualität nie enden wird! Das macht es so spannend, öfter vorbeizuschauen.

Thorsten Rahn
Restaurantleiter, Sommelier, Weindozent und Autor; Dresden

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