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Reblaus

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Dieser gefährlichste aller Rebschädlinge (Daktulosphaira vitifoliae, Viteus vitifoliae) ist ein Insekt der Ordnung Pflanzenläuse (Homoptera), Unterordnung Blattläuse (Aphidina) und Familie der Zwergläuse (Phylloxeridae). Die Reblaus befällt ausschließlich die Weinrebe, saugt an den Blättern und/oder den Wurzeln und gibt dabei ihren Speichel in die Saftbahnen ab, was Gallen (Wucherungen) hervorruft, die dann als Eiablage und Nahrung dienen. 

Reblaus - Entwicklungszyklus - Humboldt-Universität Berlin um 1880

Das Bild zeigt den Entwicklungszyklus der Reblaus von der Humboldt-Universität in Berlin (Deutschland) um 1880.

Phylloxera vastatrix (verwüstende Laus)

Aufgrund verschiedener Verhaltensmuster gegenüber dem Rebstock werden verschiedene Arten vermutet. Der deutsche Biologe Dr. Carl Börner (1880-1953) hat zwischen einer weniger gefährlichen langrüssligen und einer schädlicheren kurzrüssligen Reblaus unterschieden. Ab dem Erstbefall dauert es durch Folgewirkungen wie Nährstoffmangel und Wurzelfäule in der Regel maximal drei Jahre, bis die Weinreben absterben und vollständig vernichtet sind. Der französische Wissenschaftler Jules Émile Planchon (1823-1888) gab der Reblaus bei deren Identifizierung in Frankreich 1868 deshalb den treffenden Namen „Phylloxera vastatrix“ (verwüstende Laus).

unterschiedliche Lebenszyklen 

Der Lebenszyklus ist in Europa (Vitis vinifera) und Amerika (Vitis cinerea, Vitis riparia, Vitis labrusca u.v.a.) unterschiedlich, was mit den betreffenden Rebenspezies und deren Resistenz gegen die Reblaus in Zusammenhang steht. Dieser erfolgt entweder in Form eines kompletten Zyklus (Kreislauf) zwischen Rebstock (oberirdisch) und Wurzel (unterirdisch) oder aber nur auf Blättern (nur oberirdisch) oder nur Wurzeln (nur unterirdisch) und damit verkürztem Zyklus. Es gibt parthenogenetische (Jungfernzeugung aus unbefruchteten Eizellen) und sexuelle Generationen.

Nach dem Befallungsort wird in die gelbgrüne 1,5 mm lange Blattreblaus (Gallicola = Blattgallenlaus, Daktulosphaira vitifoliae) und die gelbbraune 1,35 mm lange Wurzelreblaus (Radicicola = Wurzellaus, Eriosoma lanigerum) unterschieden. Zweitere ist wesentlich gefährlicher, da sie das Leitgewebe schädigt, was zu Wasser- und Nährstoffmangel führt. Der Befall der Blätter ist dagegen meist nicht lebensbedrohend. Bei den Rebenspezies gibt es welche, die sowohl Blatt- als auch Wurzelgallen, die Wurzelgallen jedoch keine Blattgallen, sowie die Blattgallen aber keine Wurzelgallen bilden. Die Gruppe der vollkommen resistenten Rebenspezies bildet weder Blatt- noch Wurzelgallen.

In Europa läuft meist nur die Vermehrung durch die Wurzelläuse ab, während der volle Zyklus sich nur in Amerika vollzieht. Nur im oberirdischen Kreislauf entstehen Nachkommen mit neuem Erbgut, da es ausschließlich hier Männchen und Weibchen gibt. Bei den Wurzelläusen gibt es nur Weibchen, die sich parthenogenetisch fortpflanzen und 600 Eier legen. Jung geschlüpfte befallen nicht sofort die Wurzeln, sondern überwintern tief im Boden.

Wurzelreblaus (Radicicola)

In Mitteleuropa gibt es in der Regel vier bis sechs Generationen von Rebläusen pro Jahr. Die Jungläuse der letzten Generation (Hiemalen) bilden die Überwinterungsform. Die neugeborenen Nymphen am Ende des Sommers haben normalerweise Flügelansätze. Einige davon, insbesondere die weiblichen, entwickeln geflügelte Formen, um sich zu den Wirtspflanzen zu verbreiten und neue Kolonien zu gründen. Die meisten männlichen Rebläuse bleiben jedoch flügellos.

Die geflügelten Weibchen (Sexuparae) legen Eier an der Rinde des Rebstocks ab. Aus diesen Eiern schlüpfen Geschlechtstiere (Sexuales) mit zurückgebildeten Mundwerkzeugen (Rüsseln) und funktionslosem Darm, denn sie können und brauchen auch keine Nahrung aufnehmen. Beide leben beide nur etwa 8 bis 10 Tage. Die Männchen (Aptera) widmen sich nur der Suche nach Weibchen und der Begattung. Die Weibchen (Ovipara) legen danach Eier, aus denen neue Rebläuse (Nymphen) schlüpfen. Mit diesen beginnt ein neuer Lebenszyklus wieder von vorne (siehe oben).

Reblaus - verschiedene Stadien und weibliche Laus

Das Bild links zeigt die verschiedenen Entwicklungsstadien und das Bild rechts eine geflügelte, weibliche Reblaus.

Schäden an den Wurzeln

Im Frühjahr werden die Wurzeln des Rebstocks mit dem langen Rüssel (in halber Körperlänge) angestochen und der Speichel in das Gewebe eingebracht. Als Abwehrreaktion des Rebstocks bilden sich Nodositäten (an jungen Wurzeln) oder Tuberositäten (an älteren Wurzeln). Von diesen weichen Gebilden ernähren sich die Wurzelrebläuse, indem sie diese aufsaugen. Der Schädling kann nur durch die Gallenbildung leben, denn die harten Wurzeln selbst könnten nicht direkt angenagt werden. Das Bild links zeigt einige Wurzelläuse, das Bild rechts eine Eiablage an den Wurzeln.

Reblaus - Wurzelläuse und Eiablage

Blattreblaus (Gallicola)

Die begatteten Weibchen legen jeweils ein einziges befruchtetes olivgrünes Winterei in eine Rindenritze. Daraus schlüpfen im Frühling die Maigallenläuse, die nur bei amerikanischen Rebspezies Blattgallen ausbilden (Vitis vinifera ist an den Blättern resistent). Diese Maigallenläuse legen bis zu 1.200 Eier. Nach etwa acht bis zehn Tagen schlüpfen aus diesen Eiern zwei verschiedene Larvenarten. Die erste Art bildet vor allem an jüngeren Blättern erneut Blattgallen aus und vermehrt sich parthenogenetisch mit sechs bis acht Generationen pro Jahr. Die andere Art wandert zu den Rebwurzeln im Boden und vervollständigt oder startet dort den unterirdischen Entwicklungszyklus neu. Eine überwinterte Reblaus mit 1.000 Eiern kann bis zum Herbst etwa 25 Billionen Nachkommen hervorbringen. Das Bild links zeigt die Blattgallen und das Bild rechts die von der Reblaus abgelegten Eier in diesen Blattgallen.

Reblasu - Blattghallen und Eiablage

gesamter Lebenszyklus

Den komplexe Kreislauf bzw. Lebenszyklus zeigen die zwei Graphiken. Beim oberen Lebenszyklus werden die Blätter, beim unterer Lebenszyklus die Wurzeln des Rebstocks befallen.

Rebalsu - Lebenszyklus oben Blatt

Der oberirdische Zyklus mit einem Befall der Blätter ist in der Regel nicht lebensbedrohlich.

Rebalsu - Lebenszyklus unten Wurzel

Der unterdische Zyklus mit einem Befall der Wurzeln führt bei nicht resistenten Spezies in der Regel zur Vernichtung.

Nodositäten und Tuberositäten

Abhängig vom Alter der Wurzeln gibt es unterschiedliche Auswirkungen beim Befall durch die Reblaus. Bei geringerem Befall werden zuerst die jungen, noch unverholzten und weichen Wurzelspitzen angestochen und dadurch  Nodositäten (Wurzelgallen) gebildet. Das gilt für die europäische und die meisten amerikanischen Spezies. Nodositäten sind aber relativ ungefährlich und führen nicht zur Vernichtung des Rebstocks. Bei einem größerem Befall werden aber auch die älteren, verholzten Wurzeln angestochen und als Folge die viel gefährlichern Tuberositäten gebildet, die viel tiefer in das Wurzelgefäßsystem eindringen können (1). Bestimmte amerikanische Spezies sind gegen beide Gallen immun. 

Reblaus - Tuberositäten, Reblaus weiblich und männlich, Nodositäten

Resistenz bestimmter Spezies

Die Wurzeln einiger amerikanischen Spezies sind gegen die Reblaus widerstandsfähig, weil sie sich im Laufe von Jahrmillionen angepasst haben. Die Resistenz ergibt sich durch drei Umstände. Die Rebstöcke reagieren bei Befall an den Wurzeln passiv, bilden wenig bis überhaupt keine Gallen (2) und entziehen damit den Schädlingen die Basis für die Vermehrung. Die Markstrahlen in den Wurzeln sind weit enger angeordnet als bei der europäischen Vitis vinifera, sodass die Verknotungen nur oberflächlich eindringen können. Last but not least bildet sich an der Anstichstelle ein schützendes Korkgewebe (3). Dieses verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit, Bakterien und Pilzen, die bei den nichtresistenten Rebstöcken zur Wurzelfäule und damit kompletten Vernichtung führt.

Sehr wohl können aber auch die Amerikaner-Reben oberirdisch befallen werden, was aber bei weitem nicht so verheerend ist und nur bei starkem Befall größere Schäden verursacht. Nur unter besonders günstigen klimatischen Gegebenheiten werden Europäer-Reben von der Blattgallenlaus befallen, deshalb hat sie in Mitteleuropa kaum eine Bedeutung. Anfällig für die Blattgallenlaus sind jedoch die meisten amerikanischen Spezies.

Ursprung und Entdeckung der Reblaus

Die Reblaus stammt aus Nordamerika, wo sie in weiten Bereichen an der Ostküste vorkommt. Hier wurde sie im Jahre 1854 vom Entomologen Asa Fitch (1809-1879) entdeckt und ein Jahr später als „unbedeutendes Insekt“ mit der Bezeichnung „Pemphigus vitifolius“ erstmals beschrieben. Diese harmlos anmutende Beschreibung war korrekt, denn eigentlich ist die Reblaus ein Gelegenheitsschädling. Erst durch größere Rebflächen ist eine weite Verbreitung bis hin zu einer Epidemie möglich. Diese Situation war aber an der Ostküste Nordamerikas keinesfalls gegeben.

Hier konnte das Insekt keine großen Schäden verursachen, da die Anzahl von Wildreben an einem Ort immer begrenzt war, die Bodenverhältnisse eine Vermehrung nicht begünstigen und außerdem einige der amerikanischen Rebenspezies in unterschiedlichem Ausmaß an den Wurzeln widerstandsfähig sind. Im Gegensatz zu anderen Naturereignissen, die auch ohne menschliches Zutun erfolgen, war die Verbreitung der Reblaus erst durch massive Eingriffe des Menschen in das Ökosystem mit großflächigen Monokulturen möglich. Aber auch das hätte nicht für eine weltweite Verbreitung ausgereicht, sondern wurde erst durch den Handel mit verseuchten Reben bewirkt.

Danaergeschenk aus Nordamerika

Kurz vor der Reblaus kam um 1845 über England der Echte Mehltau nach Europa, das erste der vier Danaergeschenke aus Nordamerika. Rund fünf bis zehn Jahre später folgte die Reblaus, ein genaues Datum ist unbekannt, weil die Schäden erst einige Jahre später sichtbar wurden. Ab 1850 wurden amerikanische Rebstöcke in großer Anzahl nach England und Frankreich als Zierreben und zu Kreuzungszwecken und mit diesen unbemerkt auch die Reblaus nach Europa eingeführt. Dies war aber auch schon früher erfolgt und die Reblaus gab es in Amerika seit undenklichen Zeiten. Warum war sie also nicht schon viel früher in Europa aufgetaucht? Dafür gibt es eine einfache Erklärung. In den Segelschiffzeiten hatte der Schädling die rund zehn Wochen und länger dauernde Reise nicht überlebt, während er mit den schnellen Dampfschiffen in der kurzen Zeit von 10 bis 14 Tagen unversehrt das Meer überquerte.

Ursachenforschung

Um 1858 (nach anderer Quelle 1863) wurde bei Arles in der Provence ein unerklärliches Rebensterben festgestellt und zunächst eine Pilzkrankheit oder Frostschäden vermutet. Sogar Gottes Zorn und Strafe wegen der Sünden der Zeit musste als Ursache herhalten. Als man die abgestorbenen Rebstöcke ausgrub, war das gesamte Wurzelwerk verschwunden. Durch die Winzigkeit des Insekts blieb es zunächst als Ursache unerkannt. 1868 wurde eine Kommission mit dem Weinbergbesitzer Gaston Bazille (1819-1894), dem Gartenbauer Félix Sahut und dem Physiker und Botaniker Jules Émile Planchon (1823-1888) eingesetzt, der es innerhalb kurzer Zeit gelang, die Ursache des geheimnisvollen Rebensterbens zu identifizieren. Jedoch die Herkunft des Schädlings aus Nordamerika blieb noch lange unklar.

europaweite Verbreitung

Die Reblaus breitete sich inzwischen stetig in fast allen Ländern Europas nahezu ausschließlich über verseuchtes Rebmaterial aus. Nach Österreich-Ungarn gelangte sie 1867 (nach anderer Quelle 1872), als der Direktor des Klosterneuburger Weinbauinstituts August-Wilhelm Freiherr von Babo (1827-1894) aus Deutschland amerikanische Rebstöcke geschenkt bekam. In Deutschland wurde sie 1874 erstmals in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg entdeckt. Aber erst 1902 gelangte die Laus nach Würzburg, 1907 an die Mosel und schließlich 1913 nach Baden. Die weiteren Stationen waren Portugal 1871, Türkei 1871, Schweiz 1874, Italien 1875 (Südtirol erst 1901), Spanien 1878 und Griechenland 1898. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden rund 75% aller Rebflächen Europas vernichtet.

katastrophale Auswirkungen

Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, denn Weinbau hatte in Europa große wirtschaftliche Bedeutung, in Italien zum Beispiel lebten 80 Prozent der Bevölkerung davon. Die materiellen Schäden waren gleich denen des Ersten Weltkrieges. Aber auch die Neue Welt war schwer betroffen, denn durch aus Frankreich importierte und mit der Reblaus infizierte Rebstöcke gelangten 1873 nach Kalifornien und dort dadurch wenige Jahre später der gerade aufblühende Weinbau lahmgelegt. Schließlich wurde der Schädling 1877 auch nach Australien, sowie 1885 nach Algerien, Neuseeland und Südafrika eingeschleppt und war nun auf allen Kontinenten vertreten.

Die gemeinsame Gefahr zwang die Länder zur Zusammenarbeit, die im 1877 mit einer „Internationalen Reblauskonferenz“ begonnen wurde. Zwischen dem Deutschen Reich, Frankreich, der Schweiz, Österreich-Ungarn und Portugal wurde 1881 eine Reblauskonvention mit Regeln für die Einfuhr und Ausfuhr von Weinreben sowie Grenzkontrollen beschlossen. Zu dieser Zeit war der Lebenszyklus der Reblaus bereits erforscht und recht gut bekannt:

Maßnahmen gegen den Schädling

Die französische Regierung bildete schon im Jahre 1870 eine Kommission, zu deren bekanntesten Vorsitzenden ab dem Jahre 1885 Louis Pasteur (1822-1895) und nach ihm Jules Lavalle (1820-1880) wurden. Man setzte einen Preis von 20.000 Francs aus und erhöhte später auf  300.000. Im Verlaufe von sieben Jahren wurden 700 Vorschläge eingereicht, davon wurde die Hälfte auch tatsächlich ausprobiert. Der Preis musste jedoch nie ausbezahlt werden. Es erfolgten Behandlungen mit Seidenraupenkot, Gülle bzw. Jauche und Krebsextrakt, das Abkratzen der Rinde oder dAnpflanzen verschiedener Abwehrgewächse wie Hanf oder Baldrian. Bescheidene Teilerfolge wurden durch Überfluten der Weingärten mit Wasser und dem Kultural-Verfahren, das heißt Bodeninjektionen mit Schwefelkohlenstoff erzielt.

Auch anerkannte Wissenschaftler gingen von falschen und abenteuerlichen Annahmen aus. Der Entomologe Victor Antoine Signoret (1816-1889) meinte, dass die Reblaus nicht die Ursache, sondern die Wirkung sei  und der Weinbauexperte Dr. Jules Guyot (1807-1872) vermutete die Ursache in zu scharfem Rebschnitt. Auch so abstruse und völlig wirkungslose Methoden wie das vom römischen Autoren Plinius dem Älteren (23-79) entlehnte Vergraben einer toten Kröte unter jedem Rebstock, das Abklopfen des Weingartenbodens, um das Insekt ins Meer zu treiben bis hin zum Einleiten von Elektrizität in die Erde und Begießen der Rebstöcke mit Weißwein wurden versucht.

Reblaus-Bekämpfer

Bereits im Jahre 1869 hatte Léopold Laliman (1817-1897) aus Bordeaux erkannt, dass einige amerikanische Rebstöcke immun gegen die Reblaus waren (dies wird aber auch anderen zugeschrieben). Auf einem Kongress in Beaune schlug dann der oben erwähnte Gaston Bazille die Methode vor, die Oberteile (Edelreiser) von Europäer-Reben auf die Unterteile (Wurzelstöcke) von reblausresistenten Amerikaner-Reben aufzupfropfen. Dies wurde von Gustave Foëx (1844-1906) unterstützt, der schon 1868 vermutet hatte, dass die Reblaus von außerhalb Europas gekommen war.

Reblaus - Porträts von Charles V. Riley, Pierre Viala, Émile Planchon, Georg Engelmann

Bestätigt wurde dies dann von Jules Émile Planchon (1823-1888) durch eine Studienreise in Amerika im Jahre 1873. Er traf dort mit dem Entomologen Charles V. Riley (1843-1895) zusammen, der nachwies, dass das französische Insekt identisch mit dem amerikanischen war. Riley sprach sich als einer der Ersten für das Pfropfen der europäischen Edelresier, der heute üblichen Veredelung aus. Aber dies wird auch dem Botaniker Georg Engelmann (1809-1884) zugesprochen. Wer also tatsächlich „der Erste“ war, ist natürlich nicht mehr festzustellen und alle angeführten Personen kann man getrost als Retter des europäischen Weinbaus vor der Reblaus gelten lassen.

Lösung des Problems

Von 1873 bis 1876 wurden Millionen von Unterlagen vor allem nach Frankreich und andere Länder verschifft, wobei die meisten aus Missouri stammten. Viele davon waren Kreationen des Züchters Hermann Jaeger (1844-1895). In der Praxis vertrugen aber viele der amerikanischen Wurzelstöcke den europäischen Boden nicht, besonders den in Amerika in Weingärten seltenen Kalkboden. Zuerst wurde die Vitis riparia als Unterlagsrebe verwendet, die aber ungeeignet für Kalkboden war. Deshalb wurde sie mit der Vitis berlandieri gekreuzt.

Schließlich wurde im Jahre 1887 vom französischen Landwirtschaftsministerium eine von Dr. Pierre Viala (1859-1936) geleitete Delegation nach Amerika entsandt, um geeignete Unterlagsreben ausfindig zu machen. Die Entwicklung dauerte Jahrzehnte und lange standen sich zwei konkurrierende Lager gegenüber, das waren die „Sulphuristen“, die auf eine Bekämpfung mit Chemie schwörten, und die „Amerikanisten“, die eine Veredelung bevorzugten.

Am Ende setzten sich schließlich die Amerikanisten durch. Dafür wurden zahlreiche Unterlagen für die unterschiedlichen Anforderungen entwickelt. Als wichtiges Kriterium gilt eine hohe Resistenz gegen die Reblaus. Die als Veredelung bezeichnete Methode war und ist noch immer die einzige Lösung. Sie war aber sehr kostspielig, denn es gab über zehn Milliarden Rebstöcke alleine in Frankreich. Deshalb versuchte man mit mäßigem Erfolg, das Problem durch Kreuzungen von amerikanischen Spezies mit Vitis-vinifera-Sorten zu lösen. All diese Hybriden waren nur ungenügend resistent und außerdem besaßen Weine bestimmter Spezies den für europäischen Geschmack unangenehmen Foxton.

Gerade während der ersten Erfolge mittels veredelter Reben brach die dritte Katastrophe über den europäischen Weinbau herein. Denn paradoxerweise wurde mit den eingeführten Unterlagen 1878 der Falsche Mehltau aus Nordamerika eingeschleppt. Und als trauriger Abschluss wurde Anfang der 1880er-Jahre die Schwarzfäule aus Amerika importiert. Am längsten dauerte es bei der Reblaus, bis sich die wirksamen Maßnahmen überall durchgesetzt hatten.

Länder/Gebiete ohne Reblaus

In vielen Ländern gibt es einzelne Bereiche und Weingüter, die durch günstige Verhältnisse zumindest zum Teil wurzelechte Reben verwenden können. In Übersee ist dies zum Beispiel Chile; vermutlich durch die traditionelle künstliche Bewässerung. Eine Liste wurzelechter Bestände in Europa ist auf der Website des Schweizer Rebengenetikers Dr. José Vouillamoz enthalten: Ungrafted (Register of Ancient and Old World wines made from own-rooted vineyards).

Dort gibt es knapp 1.000 Einträge von Beständen in den Ländern Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Georgien, Griechenland (z. B. auf der Insel Santorin), Italien, Kap Verde, Kroatien, Österreich, Portugal (z. B. im Bereich Colares), Schweiz, Spanien, Syrien, Türkei und Zypern (z. B. im Bereich Commandaria

Aber es ist heute überall generell die Veredelung üblich, man schätzt, dass dies weltweit 85% aller Rebstöcke ausmacht. Die Reblaus ist aber noch immer nicht vollständig besiegt, denn in den 1990er-Jahren ist in Amerika eine neue Variante (Biotypus B) aufgetreten, die schon viele Weingärten in Kalifornien und Neuseeland vernichtet hat. Große Probleme verursachte Anfang der 1960er-Jahre in Kalifornien die Empfehlung der University of California (Davis) für die Unterlage AxR 1, die zu schwach reblausresistent war. Alle damit angelegten Weingärten mussten wieder gerodet werden.

weiterführende Informationen

Siehe zum Themenkomplex auch uter Amerikaner-Reben, Europäer-Reben, Hybriden, Nodositäten, Prä-Phylloxera, Rebstock-Feinde, Tuberositäten, Unterlage & Unterlagsrebe, Veredelung und wurzelecht.

Bildquellen

Blattreblaus: Joachim Schmid, Geisenheim, CC BY 3.0 de, Link und Link 
Wurzelreblaus: Joachim Schmid, Geisenheim, CC BY 3.0 de, Link und Link  

Rebläuse und Reblausfliege: LWG Bayern

Lebenszyklus: Geisenheim, B. Loskill (bearb durch NTr)

Wurzeln: J. Schmid, F. Manty, B. Lindner, ISBN, GFDL 1.2, Link 1 / Link 2 

Rebläuse: unbekannt -  Meyers, Gemeinfrei, Link

Entwicklungs-Zyklus: unbekannt, Humboldt, GFDL 1.2, Link

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Thomas Götz

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Thomas Götz
Weinberater, Weinblogger und Journalist; Schwendi

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