wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Klimawandel

cambio climático (ES)
climate change (GB)
mutamento climatico (I)
changement climatique (F)

Im Juni 2007 wurde vom Klimaausschuss der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on Climate Change) der dreiteilige UN-Klimareport veröffentlicht, an dem rund 2.500 Forscher aus 124 Ländern über Jahre gearbeitet hatten. Er basiert auf rund 40 Computersimulationen. Erstmals einigte man sich auf eine Formulierung, wonach der Mensch schuld am Klimawandel ist (was aber mancherorts bis heute noch immer bestritten wird). Die hochentwickelten Länder sind für die Aufheizung der Atmosphäre (Global Warming) und den „Export“ der Auswirkungen verantwortlich. Die hauptsächlichen Ursachen sind rasantes Bevölkerungswachstum, zunehmender Verbrauch von fossilen Brennstoffen, Abholzung von Wäldern und Verstädterung.

Ursachen und allgemeine Auswirkungen

Durch schonungslose Verfeuerung von fossilen Brennstoffen wie Benzin, Öl oder Kohle, entstehen riesige Mengen an zusätzlichem, den sogenannten Treibhauseffekt verursachendem Kohlenstoffdioxid. Es ist als Spurengas mit einem Volumenanteil von etwa 0,038% in der Erdatmosphäre enthalten. Dieser auf den ersten Blich extrem geringe Anteil wird von Skeptikern immer wieder fälschlicherweise als Argument verwendet, dass der (Beitrag des Menschen) in der Luft so klein sei, dass er das Klima nicht beeinflusse. Dabei wird grundsätzlich unterstellt, dass von einer geringen Menge nur geringe Wirkung ausgeht. Das ist aber nicht der Fall. In vielen Regionen der Welt wurde in den letzten Jahrzehnten eine Abnahme der Frosttage und eine Zunahme der Tage mit extrem hohen Temperaturen beobachtet. Das war besonders in Mittel- und Nordeuropa, in den USA, in Kanada, China, Australien und Neuseeland der Fall. In den mittleren und nördlichen Breiten, vor allem der Nordhalbkugel, hat die Häufigkeit der Starkniederschläge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich zugenommen. Im Gegensatz dazu gibt es in einigen Regionen Afrikas und Asiens immer häufiger stärkere Dürren, sowie auch Wüstenbildungen. 

Seit der Industrialisierung ist die durchschnittliche Temperatur um +0,7 bis +0,8 °Celsius gestiegen, wobei allein +0,6 °Celsius auf die vergangenen 30 Jahre entfallen. Die Temperaturen auf der Erde werden bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich doppelt so schnell steigen wie im vergangenen Jahrhundert. Elf der vergangenen zwölf Jahre waren unter den zwölf wärmsten seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1850. Im besten Fall erwärmt sich die Erdoberfläche bis zum Jahr 2100 um 1,1 bis 2,9 Grad, im schlechtesten Fall erhöht sich die Temperatur um 2,4 bis 6,4 Grad. Als durchschnittliche Erwärmung wird ein Temperaturanstieg von 1,8 bis 4 Grad Celsius vorausgesagt. Für das günstigste Szenario wurde ein Anstieg des Meeresspiegels um 18 bis 38 Zentimeter errechnet. Im schlechtesten Fall könnte er um bis zu 59 Zentimeter steigen. Es mehren sich Überschwemmungen, Missernten und Wirbelstürme. Etwa ein Fünftel der Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht.

Klimawandel - Erde in Flammen, verdorrter Baum, Eisbär auf Scholle

Auswirkungen auf Weinbau

Das Klima hat bedeutenden Einfluss auf die Weinreben und die Weinqualität. Deshalb hat der Klimawandel natürlich Auswirkungen auf den Weinbau, obwohl diese gemäß neueren Forschungsergebnissen bei der Weinrebe gegenüber anderen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen als geringer angenommen werden. Aufzeichnungen über Klimawerte und weinbaurelevante Daten wie Weinlesezeiten, Erträge und Qualität von Jahrgängen gibt es in Europa seit über tausend Jahren. In diesem Zeitraum gab es immer wieder Schwankungen und auch außergewöhnliche Zustände wie zum Beispiel die Mittelalterliche Warmzeit (900-1300) mit durchschnittlich höheren und die so genannte Kleine Eiszeit (1450-1850) mit durchschnittlich niedrigeren Temperaturen. Die Ursachen und Auswirkungen durch den heutigen Klimawandel sind aber ungleich dramatischer, nachhaltiger und schneller. In der Vergangenheit sind die großen Klimaveränderungen durch Naturphänomene wie Erderwärmungen oder Abkühlungen (Eiszeiten) hervorgerufen worden und sehr langsam über viele Jahrtausende verlaufen. Die heutige Situation hingegen ist eine Reaktion auf vom Menschen verursachte Umstände und verläuft in beängstigender Geschwindigkeit.

wahrscheinliche Klimaveränderungen

Dr. Edgar Müller vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück ist ein profunder Kenner der Materie und hat über das Thema viele Dokumentationen verfasst. Am DLR-Standort Bad Kreuznach (Anbaugebiet Nahe) liegen präzise Aufzeichnungen für je eine Riesling- und eine Müller-Thurgau-Parzelle seit 1959 vor. Dabei wurden detaillierte phänologische Daten wie Austrieb, Blüte, Véraison und Weinlesebeginn erfasst. Eine der Erkenntnisse ist, dass von 1959 bis 2006 die Anzahl der Sommertage (> 25 °C) und heißen Tage (> 30 °C) eklatant angestiegen ist. Die durchschnittliche Jahres-Temperatur stieg um 1,0 °Celsius. Ein großer Temperaturschub ist besonders ab Ende der 1980er-Jahre zu erkennen. In Südwestdeutschland ist bis 2050 mit folgenden Veränderungen zu rechnen, wobei diese vermutlich auch für andere mitteleuropäische Weinbaugebiete tendenziell gilt:

  • weiterer Temperaturanstieg um 1 bis 2,5 °Celsius
  • Erwärmung vor allem im Sommer und Winter
  • höhere Spitzentemperaturen
  • längere Vegetationszeit (letzter Frosttag Frühjahr bis erster Frosttag Herbst)
  • Verringerung der Anzahl der Frosttage
  • weitere Verstärkung der UV-Strahlung und Vergrößerung des „Ozonlochs
  • Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit
  • große Unsicherheit bezüglich Niederschlagsmengen - wahrscheinlich mehr
  • höherer Anteil an Niederschlägen im Winter, geringerer Anteil im Sommer
  • häufigere Starkniederschläge
  • zunehmende Häufigkeit und Intensität von Hagel
  • zunehmende Population bei Schadinsekten

Klimawandel - brennender Wald, ausgetrockneter Boden, Wirbelsturm

Ausgehend davon sind Veränderungen unterschiedlichen Ausmaßes zu erwarten. Das sind kürzere Wachstumsintervalle, stärkere Vegetation mit mehr Laubfläche, höherer Wasserverbrauch bzw. dadurch notwendige künstliche Bewässerung, schwankende Erträge, vermehrter Schädlingsbefall und Rebstock-Krankheiten und damit sinkende Traubenqualität. Durch trockene Sommer kann sich eine höhere Generationsanzahl bei den Traubenwicklern und anderen Schadinsekten, sowie gehäufte Probleme mit Bakterien, Phytoplasmen und Viren ergeben. Die Auswirkung auf die Weinqualität ist in den betroffenen Weinbaugebieten dadurch negativ. Die Weißweine werden auf Grund früherer Reife mehr Alkohol und weniger Säure aufweisen. Dies bedeutet vor allem für den heute spät reifenden Riesling, aber ebenso für früh reifende, säurearme Sorten ein Problem.

Auswirkungen auf Weinqualität

Die Häufigkeit von UTA (untypischer Alterston) und Gärstörungen wird steigen. Das hat negative Auswirkungen auf die Aromatik gepaart mit phenolischen Noten. Außerdem ergibt sich ein geringeres Alterungspotential. Bisher nur in warmen Gebieten grassierende Krankheiten wie Pierce Disease könnten dann auch in Europa auftreten. Der Weinbau wird sich bezüglich der Weingartenpflege und der Weinbereitung im Alklgemeinen ändern bzw. anpassen müssen. Betroffen davon sind die Rebsorten, die Wahl der Unterlagen, die Düngung, die Erziehungsform, damit im Zusammenhang der Rebschnitt, die Frage der Begrünung, der Pflanzenschutz sowie last but not least ganz sicher auch die Weinstile.

Qualitativ hochwertiger Weinbau ist in nur einem schmalen geographischen Band, den Rebengürteln vom 40. bis 50. nördlicher und 30. bis 40. südlicher Breitengrad möglich. Die Weinbaugebiete auf der nördlichen Halbkugel, in Äquatornähe und im Landesinneren sind vom Klimawandel stärker betroffen als jene auf der südlichen Halbkugel, in Höhenlagen oder in Küstennähe. Konsequenzen wird es aber global für alle Weinbaugebiete in unterschiedlicher Ausprägung geben. Bisher schon trockene und heiße Regionen werden wohl mit noch größeren Problemen zu kämpfen haben. In Australien und Kalifornien ist ein starker Rückgang der Niederschläge zu erwarten. Teile von Südeuropa könnten für Qualitätsweinbau zu heiß werden. In der Champagne und in Bordeaux wiederum sind Verbesserungen durch verbesserte Traubenreife wahrscheinlich.

Auswirkungen auf Weinbaugebiete

Für die bisherigen klimatischen Grenzstandorte eröffnen sich bessere und neue Perspektiven. Die Weinbaugebiete werden sich in Richtung der Pole erweitern. In Europa sind Dänemark, England, Kroatien, Niederlande, Polen, Schweden, Norwegen und die Ukraine Kandidaten. Außerhalb Europas sind dies die Länder bzw. zumindest Teile davon Argentinien, Australien, China (Norden), Chile und Neuseeland. Die britische Weinhandelsfirma Berry Bros & Rudd sieht in einer Ende Mai 2008 veröffentlichten Studie China in 50 Jahren als wichtigstes Weinbauland der Welt. Nicht nur mengenmäßig werde das Reich der Mitte dann die bedeutendste Weinbaunation sein, sondern in der Qualität selbst mit Bordeaux mithalten können. Der große Verlierer soll Australien sein, da es in den meisten Gebieten zu heiß für Qualitätsweinbau sein würde.

Resumee

Dr. Edgar Müller zieht daraus folgendes Fazit: Durch entsprechende Veränderungen in der Anbautechnik wie oben angeführt können die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen doch in vielerlei Hinsicht gemildert werden. Sollten die skeptischen Prognosen der Klimawissenschaftler zutreffen, werden unsere Kinder, spätestens aber unsere Enkel einen Weinbau betreiben, der sich anbautechnisch erheblich von dem heutigen unterscheidet. Das gilt mglw. auch für Rebsorten und Standorte. Ungeachtet der beträchtlichen Probleme stünde der deutsche Weinbau, verglichen mit anderen heutigen großen Weinbauregionen Europas, aber noch eher auf der Gewinnerseite. Die Probleme, die uns ins Haus stünden, wären wohl zu meistern. Für große Anbauregionen wie zum Beispiel Zentralspanien, in denen der Weinbau bereits heute auf Grund großen Wassermangels an die Grenze der Möglichkeiten stößt, sind die Perspektiven weit düsterer. Die weinbaulichen Probleme eines Klimawandels wären jedoch immer noch marginal, verglichen mit den möglichen globalen Problemen.

Niemand weiß mit Sicherheit, ob in der Diskussion um die zu erwartenden Veränderungen die Optimisten oder die Skeptiker Recht behalten. Jeder müsste aber wissen, dass die heutige Generation aus Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen sich nicht den Luxus leisten darf, nichtstuend abzuwarten, um unsere Enkel feststellen zu lassen, wer Recht hatte. Sie hätten vermutlich wenig Verständnis dafür, wenn die Möglichkeiten des Klimaschutzes, wie durch Energieeinsparung oder Ausbau alternativer Energien, zum Großteil vergeudet werden, weil sie von vielen Menschen als unzumutbare finanzielle Belastung oder Einengung persönlicher Entfaltung gesehen werden. Träten die skeptischen Prognosen ein, wären diese Einschränkungen bzw. Belastungen im Vergleich zu den Problemen unserer Nachkommen lächerlich (Zitatende).

weiterführende Infromationen

Mit der Bedrohung der Artenvielfalt durch den Klimawandel ist der Begriff Biodiversität entstanden, der im Biologischen Weinbau eine wichtige Rolle spielt. Die nach klimatischen Gegebenheiten erfolgte Einteilung der europäischen Weinbaugebiete in Weinbauzonen in Bezug auf Weinbauwürdigkeit wird sich durch den Klimawandel vielleicht ändern müssen. Ab Mitte der 1990er-Jahre ist durch das Faktum des weltweiten Kliamwandels Cool Climate Winegrowing populär geworden, unter dem der Weinbau in höheren Gebieten mit kontinentalen klimatischen Bedingungen zu verstehen ist. Siehe zum Thema auch unter Dekarbonisierung (Reduktion der Kohlendioxid-Emission), Globalisierung (Auswirkungen auf den Weinbau), Nachhaltigkeit (Nutzung regenerierbarer Systeme), Treibhauseffekt (Erderwärmung durch Treibhausgase) und Verschmutzung (Umwelt).  

Institutionen

Der im Jahre 2006 geschaffene Kongress Climate Change and Wine widmet sich dem Problemkreis. Es gibt noch weitere Institutionen, die nach entsprechenden Kriterien die Maßnahmen bezüglich des Klimaschutzes prüfen. Für die Zertifizierung von Gütesiegeln von Weinbaubetrieben sind dies unter anderem DINE und Fair’n Green (Deutschland), EMAS (EU), IWCA (international), myclimate (international), Nachhaltig Austria (Österreich) und SQNPI (Italien). 

Quelle: Dr. Edgar Müller vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Bilder: Pixabay

Stimmen unserer Mitglieder

Sigi Hiss

Es gibt unübersichtlich viele Quellen im Web, bei denen man sich Wissen über Wein aneignen kann. Doch keine hat den Umfang, die Aktualität und die Richtigkeit der Informationen des Lexikons von wein.plus. Ich benutze es regelmäßig und verlasse mich darauf.

Sigi Hiss
freier Autor und Weinberater (Fine, Vinum u.a.), Bad Krozingen

Das größte Weinlexikon der Welt

26.384 Stichwörter · 46.992 Synonyme · 5.323 Übersetzungen · 31.718 Aussprachen · 202.925 Querverweise
gemacht mit von unserem Autor Norbert Tischelmayer. Über das Lexikon

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER