wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Es gibt heute drei verschiedenen Champagner-Häuser in Reims, die den Namen Heidsieck im Firmennamen verwenden. Die komplizierte Geschichte begann, als der deutschstämmige Florenz-Ludwig Heidsieck (1749-1828) aus Westfalen sich im Jahre 1777 in Reims niederließ und sich fortan Florens-Louis Heidsieck nannte. Kurz darauf heiratete er die Tochter des vermögenden Textilunternehmers Nicolas Perthois. Bereits 1780 begann er seinen eigenen Wein zu erzeugen und begründte 1785 mit seinem Sohn ein eigenes Champagner-Haus. Im Jahre 1785 wurde er von Königin Marie-Antoinette (1755-1793) empfangen. Als der Sohn des Gründers in jungen Jahren starb, nahm Florens-Louis Heidsieck drei seiner Neffen in die Firma auf.

Heidsieck - Florens-Louis Heidsieck, Empfang bei Marie-Antoinette  und die 3 Etiketten

Als erster stieg 1795 Henri-Louis Waldbaum in das Unternehmen ein, 1805 folgte Charles-Henri Heidsieck und 1808 Christian Heidsieck, der jüngere Bruder von Charles-Henri. Die Produktion begründete sich vor allem auf den Absatz aller damaligen europäischen Fürsten- und Königshöfe, denn Champagner war das sehr beliebte Getränk der herrschenden Schicht. Kurz bevor im Jahre 1812 Napoleon (1769-1821) in Russland einfiel, initiierte Charles-Henri Heidsieck einen aufsehenerregenden Werbegag. Er verkündete, dass er auf einem Schimmel von Reims nach Moskau reisen würde. Tatsächlich ritt er ein paar Wochen vor der französischen Armee in Moskau mit etlichen Kisten Champagner im Marschgepäck ein.

Charles-Henri starb 1824 vier Jahre vor seinem Onkel Florens-Louis Heidsieck. Sein Sohn Charles Camille Heidsieck (1822-1893) gründete später eines der drei Heidsieck-Häuser (siehe unten). Die verbliebenen Neffen entschieden sich, den Handel vorübergehend auszusetzen. Wenig später begannen Henri-Louis Waldbaum und Christian Heidsieck wieder mit dem Champagner-Handel. Bald darauf zerfiel diese Allianz und die Neffen gingen getrennte Wege. In der Folge entwickelten sich drei Firmen mit dem Namen Heidsieck, damit waren Rechts-Streitigkeiten vorprogrammiert. Als Heidsieck Monopole 1885 sein hundertjähriges Jubiläum feierte, gab es Ärger mit dem Hause Charles Heidsieck. Da Charles Heidsieck jedoch später als Heidsieck Monopole und Piper-Heidsieck gegründet wurde, gestattete das Gericht, dass sich sowohl Heidsieck Monopole wie auch Piper-Heidsieck auf 1785 berufen dürfen. Der lange Streit ist aber längst begraben.

Heidsieck & Co. Monopole

Henri-Louis Waldbaum gründete im Jahre 1834 gemeinsam mit seinem Schwager Auguste Heidsieck die Firma Waldbaum-Heidsieck & Co. Nach dem Tod von Auguste Heidsieck im Jahre 1870 firmierte das Haus bis 1910 unter verschiedenen Namen wie Veuve Heidsieck und Luling, Goulden & Co. Im Jahre 1923 kaufte es Edouard Mignot und es festigte sich der Name Heidsieck&Co. Monopole. Die Firma wurde schrittweise bis 1985 vom Champagnerhaus Mumm übernommen und dann 1998 vom Imperium Vranken gekauft. Die Rebflächen umfassen 110 Hektar mit überwiegend Pinot Noir in den renommierten Lagen Ambonnay, Bouzy, Verzenay und Verzy. Übrigens steht in den Heidsieck-Weinbergen von Verzenay auf einem Hügel mit dem Namen Mont Boef die letzte Windmühle der Champagne. Der jahrgangslose Champagner „Blue Top“ wird aus 70% Pinot-Noir, 20% Chardonnay und 10% Pinot-Meunier assembliert. Die süßen Marken „Red Top“ (sec) und „Green Top“ (demi-sec), sowie der „Rosé Top“ haben dieselbe Mischung. Die Cuvée de Prestige heißt „Diamant Bleu Vintage“ aus je 50% Pinot-Noir und Chardonnay aus besten Grand Crus. Jährlich werden rund zwei Millionen Flaschen erzeugt.

Heidsieck (Heidsieck Monopole) - Flaschen im Schiffswrack und Flasche Blue Top

Im Jahre 1998 wurden aus dem Wrack des schwedischen Schiffes „Jönköping“ 50 Kisten (mit 3.000 Flaschen) der Marke „Heidsieck-Monopole – Goût Américain“ des Jahrgangs 1907 geborgen. Der Schoner wurde im Ersten Weltkrieg im Jahre 1916 von einem deutschen U-Boot im Baltischen Meer versenkt. Die Fracht mit 4.000 bis 5.000 Flaschen Champagner, Wein und Spirituosen war für den russischen Zaren Nikolaus II. (1868-1918) bestimmt gewesen (der russische Zarenhof bestellte übrigens jährlich rund 400.000 Flaschen Champagner von Heidsieck Monopole). Die kostbaren Flaschen lagerten 82 Jahre lang in einer Tiefe von 64 Meter und damit enorm hohem Außendruck bei vier Grad Celsius. Durch diese optimalen Lagerungsbedingungen erwies sich der goldfarbene Champagner mit 12,35% vol Alkoholgehalt und einer süßen Dosage von 42,35 g/l bei einer Verkostung durch namhafte Degustatoren als hervorragend. Damit zählt dieser Champagner zu den noch genießbaren ältesten Weinen der Welt. Bei einer Auktion in Moskau wurde für eine Champagnerflasche aus diesem Fund der unglaubliche Preis von 224.000 Euro erzielt und ist deshalb einer der teuersten Weine der Welt.

Piper-Heidsieck

Christian Heidsieck (+1835) gründete ebenfalls 1834 eine Firma und betrieb Handel unter der Marke „Heidsieck“. Nach seinem Tod nur ein Jahr später wurde das Haus von seiner Witwe geleitet und als „Veuve Heidsieck“ bekannt. Diese heiratete 1837 ihren Schwager Henri-Guillaume Piper (+1870), ein Großneffe des Heidsieck-Gründers Florens-Louis Heidsieck. Ab 1845 wurde der Name Piper-Heidsieck verwendet, obwohl parallel dazu auch die Marke Heidsieck beibehalten wurde. Gleichzeitig trat oben erwähnter Charles Camille Heidsieck der Firma bei, der aber wieder austrat und eine eigene Firma gründete (siehe unten). Henri Piper vermachte die Firma an Jean-Claude Kunkelmann. Diese Familie wirkte bereits in den Anfangszeiten der Heidsieck-Dynastie am Unternehmen mit. Das Haus firmierte nun einige Zeit unter dem Namen Kunkelmann & Cie. Durch Heirat gelangte die Firma schließlich in Besitz der Familie Suarez d’Aulan. Zum Besitz zählt seit dem Jahre 1988 auch Piper Sonoma in Kalifornien. Im Jahre 1989 wurde das Haus von Rémy Martin erworben. Schließlich wurde es 2011 (mit Charles Heidsieck) von der Firma Societe Europeenne de Participations Industrielles (EPI) um 410 Mio Euro gekauft.

Heidsieck (Piper-Heidsieck) - Henri-Guillaume Piper und Frau, Jean Suarez d’Aulan

Im Laufe der Zeit wurde die Firma zum Hoflieferanten für 17 Königshäuser. Zur hohen Qualität der Produkte in der neueren Zeit trug vor allem der legendäre Kellermeister Daniel Thibault (1947-2002) bei. Dieser war übrigens auch für die Champagner von Charles Heidsieck verantwortlich. Piper-Heidsieck war übrigens das erste Champagner-Haus, welches Gyropalettes zum Rütteln einsetzte. Die Produkte sind primär von Pinot Noir geprägt. Die Cuvée de Prestige ist nach dem Gründer „Florenz-Louis“ benannt. Ein weiteres Spitzenprodukt ist die Mono-Cuvée „Rare“. Dieser Jahrgangs-Champagner wird aus rund 70% Pinot Noir und rund 30% Chardonnay aus kostbaren Lagen assembliert. Jährlich werden knapp fünf Millionen Flaschen erzeugt, von denen ein großer Teil nach Belgien, Deutschland, England, Italien und in die USA exportiert wird. Piper-Heidsieck war auch der Lieblings-Champagner des Hollywood-Stars Marilyn Monroe (1926-1962). Sie bemerkte, dass ein Glas davon ihren Körper angenehm erwärme. Die Firma stellte für den US-Markt auch einen Kautabak mit Champagner-Aromen her, der Jahrzehnte ein riesiger Erfolg war. Mittels Zug kann man einen Teil der 12 km langen Kreidekeller besichtigen.

Charles Heidsieck

Charles Camille Heidsieck (1822-1893) heiratete so wie schon sein Vater eine Dame aus der Champagnerhaus-Familie Henriot, nämlich Amélie Henriot. Kurz darauf verließ er Piper-Heidsieck und gründete 1851 mit seinem Schwager Ernest Henriot (1826-1890) eine Firma mit dem Namen Charles Heidsieck. Der als „Champagne Charlie“ berühmt gewordene Heidsieck war ein leidenschaftlicher Jäger. Im Jahre 1857 reiste er das erste Mal in die USA, um zu jagen und um auch für seinen Champagner zu werben. Innerhalb kurzer Zeit verkaufte er drüben die ersten 300.000 Flaschen Champagner. Mit seiner kultivierten Art und seinem außergewöhnlichen Charme wurde er rasch in den besten Kreisen beliebt und als „Champagne Charlie“ ein fester Bestandteil der New Yorker High-Society-Szene. Während des US-Bürgekriegs (1861-1865) wurde er von den Nordstaaten als Spion verdächtigt und sieben Monate inhaftiert. Um 1870 wurde ein Musical von George Leybourne „Champagne Charlie“ ein großer Erfolg und 1989 wurde sein Leben mit Hugh Grant verfilmt. Charles-Eugène Heidsieck übernahm 1871 die Leitung. Der Mitbegründer Ernest Henriot verließ 1875 das Haus und widmete sich seiner eigenen Champagner-Firma.

Heidsieck - Charles Heidsieck, Champagne-Charlie Filmplakat und Flasche

Im Jahre 1976 wurden Henriot und Charles Heidsieck fusioniert und Joseph Henriot (1936-2015), ein Nachfahre des damaligen Mitbegründers Ernest Henriot, übernahm die Kontrolle über beide Firmen. Bis 1985 blieb im Gegensatz zu den beiden anderen Heidsieck-Firmen die Leitung innerhalb der Familie. Jean-Marc Heidsieck war der letzte Leiter des Hauses vor dem Kauf durch Rémy Martin (Rémy Cointreau). Der neue Kellermeister Daniel Thibault schlug vor, einige Jahre auf einen Großteil der Champagner-Produktion zu verzichten, um große Mengen an Reserveweinen ausbauen zu können. Diese Maßnahme war ein voller Erfolg. Thibault führte für jahrgangslose Champagner den Begriff Mise en cave (eingekellert) ein, der auf dem Etikett das Jahr der Flaschenabfüllung angibt. Die eigenen Rebflächen umfassen 60 Hektar. Die Cuvée de Prestige heißt „Blanc des Millénaires“ aus 100% Chardonnay (Bild rechts). Dieser Millésime (Jahrgangs-Champagner) ersetzte 1990 den Vorgänger „Champagne Charlie“. Jährlich werden rund 3,5 Mio Flaschen Champagner produziert. Die Firma wurde im Jahre 2011 (mit Piper-Heidsieck) von Societe Europeenne de Participations Industrielles (EPI) um kolportierte 410 Millionen Euro gekauft.

Porträtbilder: Piper-Heidsieck
Heidsieck & Co Monopole Flaschen: © VRANKEN-POMMERY  
Charles Camille Heidsieck:  Wikipedia, Public Domain, Link
Champagne Charlie: Fair use, Link

Stimmen unserer Mitglieder

Egon Mark

Das Lexikon von wein.plus ist für mich die umfangreichste und beste Informationsquelle über Wein, die es derzeit gibt.

Egon Mark
Diplom-Sommelier, Weinakademiker und Weinberater, Volders (Österreich)

Das größte Weinlexikon der Welt

26.386 Stichwörter · 46.992 Synonyme · 5.323 Übersetzungen · 31.720 Aussprachen · 203.007 Querverweise
gemacht mit von unserem Autor Norbert Tischelmayer. Über das Lexikon

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER