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Filtration

filtración (ES)
filtrazione (I)
filtração (PO)

Physikalisch-mechanisches Verfahren zur Trennung oder Reinigung von Stoffen wie Flüssigkeiten oder Gasen mittels technischer Filtergeräte. Verschiedene Filtrations-Verfahren sind ein häufiger Prozess bei der Weinbereitung. Schon in der Antike gab es bei den Ägyptern, Sumerern und Römern eine Technik, bei der mittels Tüchern oder ähnlichem Material Wein filtriert wurde. Im Mittelalter wurden mit einem als Filter wirkenden Stoffstück aus Musselin die zugesetzten aromatisierenden Gewürze aus dem Wein herausgefiltert. Dieses Stoffstück wurde als „Manica Hippocratis“ (Ärmel des Hippokrates) bezeichnet. Damit wurde ein als Hypocras bezeichneter, einem Glühwein ähnliches Getränk hergestellt, dass heute noch nach alter Rezeptur produziert wird.

Filtration - Hippokrates, Manica Hippocratis, Hypocras

Zweck der Filtration

Im heutigen Weinbau betrifft die Filtration hauptsächlich Traubenmost und Jungwein. Der Zweck besteht darin, unerwünschte Stoffe zu entfernen und damit den Traubenmost oder Wein zu stabilisieren bzw. zu sterilisieren. In der Regel erfolgt dies in mehreren Schritten. Zuerst werden die beim Pressen entstandenen recht großen Trubstoffe (Fruchtfleisch) aus dem Most entfernt (siehe dazu unter Entschleimen und Klären). Damit erst wird die Filterreife des Weines als Voraussetzung für die jeweilige Filtrationsart erreicht. Das heißt, dass der Wein nicht zu trüb sein darf. Ein danach folgender Schritt ist das Entfernen von Mikroorganismen wie Hefen und Bakterien. Filtration hat aber nicht nur Vorteile, denn dies bedeutet eine mehr oder weniger starke mechanische Belastung des Weines. Die feinen Partikel und Schwebeteilchen sind auch Geschmacksträger, durch das Entfernen können auch (zu hohe) Verluste von Aromastoffen oder Kohlensäure resultieren. Deshalb ist die Methode sorgsam anzuwenden. Bei unsachgemäßer bzw. zu scharfer Anwendung kann dies zum Filterschock führen. 

Zeitpunkt der Filtration

Eine Filtration kann mehrmals in verschiedenen Stadien der Weinbereitung erfolgen, vor allem nach dem Pressen (Most), nach der Gärung sowie unmittelbar vor bzw. bei der Flaschenabfüllung. In der Regel erfolgen auch mehrere der unten angeführten Verfahren in Kombination. Durch Filter werden aber nicht nur jene Partikel zurückgehalten, die (wie man vielleicht annehmen könnte) größer sind als die Filterporengröße sind. Denn das ist nur einer der Effekte. Weitere Mechanismen sind Partikelträgheit, Diffusionseffekte (thermische Bewegung von Teilchen), Elektrostatik mit adsorptiver Wirkung oder Sperreffekt. Daher werden grundsätzlich auch Partikel abgeschieden, die weit kleiner als die Porengröße des Filters sind. Jedenfalls sind Filterporengrößen mit ≤ 1 µm (Millionstel Meter) erforderlich (das menschliche Haar hat einen Umfang von ca. 40 µm).

Alternative zur Filtration

Ausgehend von den USA kann man aus Marketing-Gründen auf dem Etikett auch in Europa in den letzten Jahren vermehrt den Hinweis „unfiltriert“ (o. ä.) finden. Die Alternative zur Filtration ist der Abstich (Umzug) von einem Behälter in einen anderen, was sicher weit schonender, aber wesentlich aufwändiger ist. Der Beaujolais Nouveau ist grundsätzlich unfiltrierter Wein. Bei Weinen mit längerem Fassausbau ergibt sich durch die Lagerung automatisch eine bessere Stabilität. Ungefilterte Weine bilden in viel stärkerem Ausmaß ein Depot (Bodensatz). Bei Weinen mit Hefesatzlagerung wird prinzipiell keine Filtration durchgeführt.

Prinzipien der Filtration

Das unfiltrierte Gemisch aus einer Flüssigkeit und darin fein verteilter Festkörper nennt man Suspension, das filtrierte Produkt Filtrat. Die Partikel werden je nach Filter entweder auf Grund der Größe (Siebeffekt) und/oder auf Grund adsorptiver (elektrostatischer) Wirkung ausgeschieden. Es gibt es eine Reihe unterschiedlichster Filtrationstechniken, die sich nach Betriebsgröße, technischer Ausstattung und gewünschten Weintypen ergeben. Die Filtrationsmechanismen bzw. Anwendungs-Techniken werden in folgende grundlegende Prinzipen unterteilt:

Oberflächen- bzw. Membran-Filtration und Tiefen-Filtration

Diese werden nach dem Ort der Trubrückhaltung unterschieden. Bei der Oberflächen-Filtration bilden die abfiltrierten Feststoffe eine Schicht auf dem Filtermedium, den Filterkuchen. Bei der Tiefen-Filtration werden sie in der Tiefe (innerhalb) des Filtermediums festgehalten. Hier gibt es die Varianten Anschwemm-Filtration, Schichten-Filtration und Tiefenfiltermodule-/Kerzen. Nach der Flüssigkeitsströmung unterscheidet man in statische und dynamische Filtration.

Statische Filtration (auch Frontal- oder Dead-End-Filtration)

Die Fließrichtung erfolgt senkrecht von oben nach unten (vertikal) durch den Filterbereich. Alle Partikel werden entweder auf der Oberfläche (Oberflächen- oder Membran-Filtration) oder in der Tiefe des Filtermediums (Tiefenfiltration) zurückgehalten.

Dynamische Filtration

Die Flüssigkeit wird nicht vertikal durch das Filtermedium, sondern parallel bzw. quer über eine Membranoberfläche geführt. Es gibt keine dynamische Tiefen-Filtration.

Fraktionieren

Durch eine scharfe Filtration kann damit auch ein Fraktionieren von Wein erfolgen. Dabei werden verschiedene Stoffe wie Alkohol und Aromastoffe getrennt und zu einem „neuen Wein“ zusammengesetzt werden. Diese Anwendung ist allerdings innerhalb der EU verboten bzw. auf ganz wenige Anwendungen wie zum Beispiel Alkoholreduktion eingeschränkt, aber in der Neuen Welt üblich (siehe dazu unter Spinning Cone Column).

Filtrationsformen & Techniken

Die wichtigsten der vielen Formen mit verschiedensten Filtertechniken und im Detail unterschiedlichsten Varianten, die oft in Kombination angewendet werden, sind:

Membran-Filtration

Die statische Form wird vor allem zur Sterilisierung eingesetzt. Diese Anforderung wird erfüllt, wenn alle potentiell schädlichen Mikroorganismen entfernt werden können. Wegen der geringen Trubaufnahmefähigkeit werden große Oberflächen benötigt, weshalb die Membranen zumeist Ziehharmonika-ähnlich gefaltet (plissiert) sind.

Cross-Flow-Filtration (auch Querstrom-Filtration oder Tangentialfluss-Filtration)

Es handelt sich um eine dynamische Filtrationsform. Die Bezeichnung leitet sich von der Strömungsrichtung der Flüssigkeit ab. Diese wird quer über eine Membranoberfläche geführt (crossflow = querfluss). Damit kann der Größenbereich der Partikel gezielt ausgewählt werden. Je nach Partikelgrößen der Feststoffe, die abgeschieden werden sollen, wird in Mikro-Filtration (0,5 bis 0,1 µm), Ultra-Filtration (0,1 bis 0,01 µm) und Nano-Filtration (0,01 bis 0,001 µm) unterschieden. Bei Größen von 1 bis 0,1 nm (Milliardstel Meter) spricht man von Umkehrosmose (siehe unter Osmose).

Der Wein wird mit hoher Geschwindigkeit durch die Membran gepumpt. Die Filterpatrone besteht aus vielen asymmetrisch aufgebauten, hohlen Membranfasern aus Kunststoff in einem vertikal angeordneten Filtergehäuse. Bei neueren Modellen sind keine Filterhilfsmittel mehr notwendig. Der Wein wird im Kreislauf immer wieder durch diese Hohlfasern gepumpt, ein kleiner, gefilterter Teil fließt kontinuierlich seitwärts aus dem Gehäuse heraus, der größere Teil bleibt im Umlauf. Der Vorteil dieser Technik ist es, dass die Klärung (gegenüber anderen Techniken mit zumindest zwei Arbeitsgängen) in einem einzigen Arbeitsgang erfolgt und eine Filtration auch bei sehr starkem Trübungsgrad, wie beim noch gärtrüben Jungwein möglich ist.

Anschwemm-Filtration

Bei der statischen Tiefen-Filtrationsform werden Filterhilfsmittel wie Kieselgur, Perlit u. Zellulose sowie pulverisierte Harze als Ionenaustauscher verwendet. Diese werden zuerst in einer Flüssigkeit suspendiert (aufgelöst) und dann an den Filterträger angeschwemmt. Sobald sich ein genügend dicker Filterkuchen aufgebaut hat, der dann als eigentlicher Filter fungiert, wird auf die zu filtrierende Flüssigkeit umgestellt. Damit ist eine weitgehende Entfernung kleinster ungelöster Partikel möglich. Zusätzlich können in Abhängigkeit der Hilfsmittel auch adsorptive Wirkungen erzielt werden.

Filtration -Kieselgur-Filtration

Schichten-Filtration

Die statische Tiefen-Filtrationsform wird in Mitteleuropa zum überwiegenden Teil angewendet; in Österreich zu rund 90%. Im Gegensatz zur Anschwemmform (wo ja erst ein Filterkuchen aufgebaut wird), gibt es ein vorgefertigtes Filterbett. Abhängig von der Anwendung besteht dieses aus einer speziellen Mischung von Filterhilfsmitteln wie Zellulose, Kieselgur und/oder Perlit sowie Harze. Je nach Mischung ergeben sich spezielle Filtereigenschaften. Die nur 3 bis 5 mm dicke Schicht ergibt ein labyrinthartiges, engmaschiges Raumsieb mit feinsten, zahllos verästelten Kanälen. Der Wein durchströmt diese Kanäle relativ langsam. Die Wirkungsweise ergibt sich aus einer mechanischen Siebwirkung und einer zusätzlichen adsorptiven Komponente.

Filtration - Schichtenfiltration

Trommelvakuum-Filtration (Vakuum-Drehfilter-Filtration)

Bei dieser Form ist in einer Wanne eine drehbare Trommel montiert, die mit einem engmaschigen Edelstahl-Siebgewebe umgeben ist. In die Wanne wird ein Gemisch aus Wasser und Filtrierhilfsmittel (Kieselgur oder Perlit) gegeben. Dies eignet sich nur für Mosttrub, nicht für Wein.

weitere Verfahren

Mögliche Alternativen zur Filtration mittels verschiedener mechanischer Geräte sind Flotation und Zentrifugation. Weitere Verfahren sind unter dem Stichwort Schönen beschrieben.

Filtrationsrückstände

Die Filtrations-Rückstände (Trub, Hefen) werden im Weinberg in den Nährstoffkreislauf rückgeführt, weil organische Masse überwiegend Nährhumuscharakter mit hohem Stickstoffanteil aufweist. Größere Mengen an Filterhilfsmitteln senken die Nährstoffgehalte. Da aber eine großflächige Ausbringung in frischem Zustand schwierig ist, werden die Rückstände vorher zumeist nach Vermischung mit Stroh, Baumrinde, Holzhäcksel oder Trester kompostiert. Davon ausgeklammert ist der bei einer Blauschönung anfallende Schönungstrub, der auf Grund der Cyanverbindungen zu entsorgen ist (siehe dazu unter Schönen).

weiterführende Informationen

Bezüglich der Produktion von alkoholischen Getränken siehe unter Champagner (Schaumweine), Destillation (Destillate), Spezialweine, Spirituosen (Typen), Weinbereitung (Weine und Weintypen) und Weingesetz (weinrechtliche Belange). 

Hippokrates: Von Baumeister, Gemeinfrei, Link 
Manica Hippocratis: unbekannt, Gemeinfrei, Link
Graphiken und Quelle: Der Winzer 2 - Kellerwirtschaft, Ulmer Verlag 2019, 4. Auflage

Stimmen unserer Mitglieder

Dr. Edgar Müller

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Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach

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