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Botrytis

botrite (I)
botrytis, pourriture noble (F)
grauwe schimmel (N)
botrytis bunch rot (GB)

Meist gebrauchte Kurzbezeichnung für Botrytis cinerea (Synonym Botryotinia fuckeliana) für den im Deutschen als Grauschimmelfäule (auch Graufäule, Grauschimmel, Sauerfäule) bzw. positiv besetzt als Edelpilz oder Edelfäule bezeichneten Schimmelpilz aus der Gattung Botrytis. Er zählt zur den Schlauchpilzen und breitet sich vor allem vegetativ über die Konidien (Sporenform) aus. Einige Arten können sich auch sexuell fortpflanzen. Je nach Reifestadium bzw. den befallenen Stellen am Rebstock gibt es auch die Bezeichnungen Gescheinsbotrytis, Stielbotrytis oder Traubenbotrytis.

Botrytis wurde bereits im 18. Jahrhundert beschrieben und kommt in allen gemäßigten Klimazonen der Welt vor. Weinbaugebiete mit für den Befall besonders günstigen geographischen und klimatischen Bedingungen sind unter anderem Sauternes (Frankreich), Rheingau (Deutschland), Neusiedlersee (Österreich) und Tokaj (Ungarn). Es sind über 200 Wirtspflanzen bekannt. Besonders betroffen sind Blumenzwiebeln, Gemüsearten, Zierpflanzen und Weinreben. Bei jungen Weintrauben wirkt sich der Befall necotroph (tödlich) aus, bei älteren biotroph (Wirtsorganismus bleibt länger am Leben).

Botrytis - Riesling und Chenin Blanc Trauben

Befall des Rebstocks

Beim Rebstock werden alle Teile außer dem Stamm und dem mehrjährigen Holz befallen, bevorzugt jedoch Blüten (wenn der Pilz zu diesem Zeitpunkt auftritt) und Beeren. Denn auf diesen gibt es ein ausreichendes Angebot an Zucker und stickstoffhaltigen Verbindungen. Der Name Grauschimmel ergibt sich aus dem charakteristisch grauen Pilzrasen, der die befallenen Pflanzenteile überzieht. Bei starkem Traubenbefall steigt beim Ausleeren der Lesebehälter eine aus den Pilzsporen bestehende graue Wolke auf. Im Weinbau ist die Botrytis gefürchtet, aber „zum richtigen Zeitpunkt“ sehr erwünscht.

Bei entsprechenden Umwelt-Bedingungen entsteht die hauptsächlich bei Weißweinsorten erwünschte Edelfäule. Diese ist Voraussetzung für die edelsüßen Weintypen Ausbruch, Auslese, Beerenauslese und (ein Muss) Trockenbeerenauslese. Die Botrytisweine zählen auf Grund des hohen Zuckergehalts zu den Süßweinen. Bei diesen ist der karamellartige Botrytiston (auch Krokant) ausdrücklich erwünscht. Besonders geeignet für edelsüße Weine sind unter anderem Chardonnay, Chenin Blanc, Muscadelle, Muskateller, Riesling, Sauvignon Blanc, Scheurebe, Sémillon, Silvaner, Traminer und Welschriesling

Voraussetzung ist ein später Befall von bereits reifen Beeren ab etwa 80 °Oechsle (16 °KMW) bei trockener Herbstwitterung. Vor allem langanhaltende Regenfälle ab Ende August bieten optimale Bedingungen. Ideal sind trockene und kühle Nächte, in denen sich das Pilzwachstum verlangsamt, und mit 20 bis 25 °Celsius warme und feuchtere Tage, in denen der Pilz wieder schneller wächst. Der Pilz befällt einzelne Beeren und breitet sich von dort sehr rasch auf die ganze Traube aus. Eine zweite Infektionsquelle sind infizierte, abgestorbene Blütenreste im Inneren von Trauben. Oft gehen Infektionen von Fraßstellen der Raupen des Traubenwicklers aus, durch die der Pilz leicht ins Beereninnere gelangen kann. Alle Botrytisarten leben als Parasiten im Gewebe der infizierten Pflanzen. Dies führt zum fortschreitenden Zerfall bzw. Zelltod des Gewebes (Fäule).

Botrytis - drei Weintrauben in verschiedenen Stadien

Auswirkungen auf die Beeren

Die Beerenhaut wird mit winzigen Poren durchsetzt, durch die ganz langsam das Wasser entweicht. Die Inhaltsstoffe werden konzentriert und die Beeren rosinenartig eingetrocknet. Weinsäure und Apfelsäure werden reduziert, jedoch die Bildung von Gluconsäure und Zuckern gefördert. Botrytisbefall bewirkt immer eine chemische Veränderung und auch Zerstörung der sortenspezifischen Aromastoffe. Für die Vergärung notwendige Stickstoff-Verbindungen werden reduziert, dadurch bleibt ein Teil des Zuckers unvergoren. Es entstehen relativ stark geschmacksverändernde Stoffwechselprodukte.

Das Octenol verleiht dem Wein eine typische muffige Pilznote nach Champignon und feuchtem Waldboden, das Sotolon einen süßlichen, karamellartigen Geschmack. Durch bestimmte Pilzeenzyme werden Anthocyane und andere Phenole oxidiert und in bräunliche Polyphenole verwandelt. Bereits nur 10% befallener Rotweintrauben bewirkt eine sichtbare Veränderung der Weinfarbe. Deshalb ist bei Rotweinsorten Botrytis in der Regel unerwünscht (obwohl es einige wenige Produzenten gibt).

Als Graufäule (frz. Pourriture grise) verursacht die Botrytis große Schäden, wenn die noch unreifen, grünen Beeren befallen werden. Dies ist sozusagen eine „Edelfäule zum falschen Zeitpunkt“ und richtet dann enormen Schaden an. Zumeist fängt dies in der Mitte der Traube an und wird dann von Beere zu Beere übertragen. Der Schimmelpilz verbreitet sich im Fruchtfleisch, durchbricht die Beerenhaut und durch eine auftretende Nassfäule verfaulen die Trauben.

In die zerstörte Beere kann kein Zucker mehr eingelagert werden und sie bleiben klein und sauer. Deshalb wird dieser Zustand auch als Sauerfäule bezeichnet. Die Beeren verfärben sich rosa und lila und gehen schließlich in braun über. Zusätzlich können die Beeren auch noch von Acetobacter (Essigbakterien) befallen werden. Die davon erzeugten Weine weisen einen unangenehmen, stickigen und dumpfen Geschmack auf; bei Rotweinen äußert sich dies durch eine blasse, graubraune Farbe.

Botrytis - Endstadium für Trockenbeerenauslese

Bekämpfung

Eine präventive Maßnahme ist die möglichst umfassende Entziehung der Grundlagen für die Infektion und Ausbreitung im Weingarten. Durch entsprechende Erziehungsform und Rebschnitt und daraus resultierende gute Durchlüftung wird erreicht, dass die Trauben nach Niederschlägen schnell abtrocknen können. Damit wird dem Pilz die für sein Wachstum wichtige Basis der Feuchtigkeit entzogen. Rebsorten mit dichtem Laub (bei denen das Trocknen nach einem Regen länger dauert), sowie mit dichtbeerigen Trauben (je enger die Beeren, desto schneller erfolgt die Ausbreitung) sind mehr gefährdet. Das sind zum Beispiel die Sorten Gewürztraminer, Kerner, Müller-Thurgau, Pinot Noir und Scheurebe (Sämling 88).

Ein neues Verfahren ist das Besprühen der Weintrauben mit antimikrobiellen Stoffen (Phytoalexine), um lockerbeerige Trauben zu erhalten. Ebenso begünstigt wird die Ausbreitung durch übermäßigen Anteil an Stickstoff sowie Mangel an Magnesium im Boden. Deshalb achtet man bei der Düngung auf diesen Umstand. Ebenso begünstigen die Fraßschäden des Traubenwicklers die Ausbreitung, sodass eine Reduzierung erfolgen muss. Zusätzlich erfolgt die Bekämpfung durch entsprechende Fungizide, dies muss gegebenenfalls mehrmals jährlich erfolgen. Bei der Züchtung von Unterlagen oder Neuzüchtungen wird besonders auf eine gute Resistenz (Widerstandsfähigkeit) gegen Botrytis bzw. Pilze im Allgemeinen geachtet. Solche werden als PIWI-Sorten bezeichnet. Siehe auch eine komplette Aufstellung aller Schädlinge und Krankheiten unter Rebstock-Feinde.

Riesling: von Tom Maack T.o.m., CC BY-SA 3.0, Link 
Chenin Blanc: by John Yesberg - own work, Public Domain, Link
Botrytistraube links: von Walliswine - eigenes Werk, CC BY-SA 3.0Link  
Botrytistraube mitte: unbekannt
Botrytistraube rechts: Von Uschi Dugulin auf Pixabay

Hand mit Trauben: © DWI (Deutsches Weininstitut)

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Egon Mark

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Egon Mark
Diplom-Sommelier, Weinakademiker und Weinberater, Volders (Österreich)

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